Medien suchen aktiv nach Lösung in Streit um NSU-Prozess
München (dpa) - Angesichts der harten Haltung des Gerichts bei der Vergabe der Presseplätze im NSU-Prozess haben sich mehrere Medien aktiv in die Suche nach einer Lösung eingeschaltet. Die bayerische Landtagspresse will nun in Eigenregie für einen Zugang türkischer Medien sorgen.
„Augsburger Allgemeine“, „Main-Post“, „Nordbayerischer Kurier“ und „Radio Arabella“ schließen sich zu einem Pool zusammen und lassen zunächst einmal drei ihrer vier Plätze frei - in der Hoffnung, dass drei türkische Journalisten davon profitieren.
Das Münchner Oberlandesgericht steht in der Kritik, weil bei der Vergabe der 50 reservierten Presseplätze türkische Medien leer ausgegangen sind, obwohl acht der zehn Opfer türkische Wurzeln haben. Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beginnt am 17. April.
In einem Rundschreiben appellierte die Landtagspresse an alle zugelassenen Journalisten, die keinen reservierten Platz haben und sich in die Warteschlange um freiwerdende Plätze einreihen, drei türkische Kollegen vorzulassen. Nach der OLG-Regelung gehen freiwerdende Presseplätze „an weitere wartende akkreditierte Medienvertreter in der Reihenfolge ihrer Ankunft vor dem Sitzungssaal“.
Zugleich gibt es Meldungen über angebliche zusätzliche Plätze. Das „Neue Deutschland“ schreibt unter Berufung auf OLG-Kreise, es würden Vorbereitungen getroffen, um im Gerichtssaal zusätzliche Sitzplätze zu schaffen. Laut Stuttgarter Zeitung (Samstag) teilte die Ombudsfrau der Bundesregierung für Angehörige der Neonazi-Opfer, Barbara John, dem Gericht mit, dass nun 15 der 71 Nebenkläger nicht zum Prozessauftakt am 17. April kommen. Das Gericht habe nun die Möglichkeit, die Plätze türkischen Prozessbeobachtern zuzusprechen.
„Wenn absehbar ist, dass Plätze frei bleiben, weil Nebenkläger gegenüber dem Senat verbindlich erklären, dass sie nicht kommen werden, dann wird der Senat überlegen, wie die dann eventuell freien Plätze belegt werden können“, sagte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel.
Die türkische Zeitung „Sabah“ will gegen die Vergabe der Plätze klagen. Auch die Zeitung „Hürriyet“ denkt über einen solchen Schritt nach. Der frühere Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer hält im Falle von Klagen eine Verzögerung des Prozess nicht für ausgeschlossen. Es hänge aber davon ab, wie eine solche Klage formuliert sei, sagte Hassemer der Nachrichtenagentur dpa am Freitag.
Hassemer hält eine Übertragung des NSU-Prozesses in einen zweiten Saal weiterhin für die gangbarste Lösung. Allerdings müssten Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden und es dürfe kein Schauprozess werden. Der Vorschlag, das Akkreditierungsverfahren neu zu starten, sei nicht unvernünftig, sagte er dem Bonner „General-Anzeiger“ (Samstag). Es bleibe aber nur wenig Zeit bis zum Prozessbeginn.
Im Gericht selbst laufen die Vorbereitungen. Am Saal A 101 sind bereits teilweise frisch gestrichene Stellwände aufgestellt. Fenster neben dem Sitzungssaal wurden mit einer Folie überzogen, die vor Blicken schützt.