Mehr Urlaub für Jüngere im öffentlichen Dienst
Erfurt (dpa) - Gute Nachricht für jüngere Angestellte im öffentlichen Dienst: Sie haben Anspruch auf bis zu vier Tage mehr Urlaub im Jahr. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erklärte am Dienstag die altersabhängige Urlaubsstaffelung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für unwirksam (9 AZR 529/10). Damit stehen allen Beschäftigen 30 Tage Urlaub zu.
Die Regelung gilt ab sofort für die Angestellten beim Bund und den Kommunen. Da der Tarifvertrag für die Beschäftigten der Länder einen gleichlautenden Passus enthält, gehen Juristen davon aus, dass die Entscheidung auch Auswirkungen auf die Landesangestellten hat. Nach Schätzungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi betrifft die Entscheidung rund 850 000 Arbeitnehmer beim Bund, in den Ländern und den Kommunen.
In der Privatwirtschaft wird seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes von 2006 auf eine Umstellung in den Tarifverträgen hingewirkt. In vielen Unternehmen wurde die Altersstaffel durch eine Urlaubsregelung nach Betriebszugehörigkeit ersetzt - oder Jüngere und Ältere haben denselben Urlaubsanspruch.
Bisher bekommen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bis zum 30. Lebensjahr 26 Tage Urlaub, bis 40 Jahre werden 29 Urlaubstage gewährt, und erst ab 40 Jahren gibt es 30 Tage Urlaub. Die obersten deutschen Arbeitsrichter sehen darin jedoch einen Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Diese Staffelung nach dem Alter benachteilige jüngere Arbeitnehmer, begründete der neunte Senat.
„Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolgt nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älteren Menschen Rechnung zu tragen“, erklärte das Gericht. Auch lasse sich kaum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab 30 beziehungsweise 40 Jahren begründen.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, sprach von einem „bahnbrechenden Urteil“. Verdi-Sprecher Christoph Schmitz sieht in der Entscheidung ein gutes Signal für die Beschäftigten, deren Arbeitsbelastung durch den Stellenabbau in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe. Die Entscheidung der Erfurter Richter habe jedoch keine Auswirkungen auf die laufende Tarifrunde für höhere Entgelte, da der Urlaub im Manteltarif geregelt ist. Die Beschäftigten könnten nun individuell ihren Urlaubsanspruch bei den Arbeitgebern geltend machen.
Die Kommunen sehen jetzt beträchtliche Kosten auf sich zu kommen. „Wir rechnen damit, dass eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs für alle Beschäftigten auf 30 Tage bei den kommunalen Arbeitgebern zu einem Verlust von 1,6 Millionen Arbeitstagen pro Jahr führt“, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Manfred Hoffmann. Dies bedeute Mehrkosten von rund 250 Millionen Euro jährlich.
Das Bundesarbeitsgericht hatte der Klage einer Mitarbeiterin des Landkreises Barnim (Brandenburg) stattgegeben. Die im Oktober 1971 geborene Frau verlangte für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen weiteren Urlaubstag. Während das Landesarbeitsgericht ihre Klage abgewiesen hatte, stellte das Bundesarbeitsgericht jetzt wieder das Urteil aus der ersten Instanz her.
Das Bundesarbeitsgericht wird 2012 noch weitere Klauseln prüfen, die mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kollidieren könnten. Nach und nach würden alle altersbezogenen Regelungen in Tarif- und Arbeitsverträgen auf den Prüfstand kommen, hatte Gerichtspräsidentin Ingrid Schmidt zu Jahresbeginn angekündigt.