"Zentrum für politische Schönheit" Menschenrechtsaktivisten holen Flüchtlingsleiche nach Berlin

Im November montierten Berliner Aktivisten die Kreuze für die Mauertoten kurzzeitig ab. Nun betten die Künstler vom „Zentrum für Politische Schönheit“ eine Leiche um. Ist das pietätlos?

Leere Stühle für die geladenen aber nicht erschienenen Gäste sind am Dienstag auf dem muslimischen Teil des Friedhofs Berlin-Gatow aufgestellt. Hier sollte die Leiche einer im Mittelmeer ertrunkenen Syrerin beerdigt werden.

Foto: Gregor Fischer

Berlin (dpa) - Eine im Mittelmeer ertrunkene Frau aus Syrien wird auf einem deutschen Friedhof bestattet. Zumindest gibt es so die Künstlergruppe an, die mit ihrer Aktion am Dienstag gegen den Umgang mit toten Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen protestiert. Zu der Trauerfeier auf dem Friedhof im Berliner Vorort Gatow erscheinen dutzende Reporter und einige Trauergäste, die nächsten Angehörigen der Frau sind nicht darunter. Anschließend müssen sich die Aktivisten vom „Zentrum für politische Schönheit“ Fragen zu ihrer Glaubwürdigkeit gefallen lassen.

Die Gruppe ist bekannt für Inszenierungen, darunter der Abbau von Gedenkkreuzen für DDR-Maueropfer und eine gefälschte Pressemitteilung der Bundesregierung. Die Kunstaktivisten hatten die Leiche der Syrerin nach eigenen Angaben im sizilianischen Sortino aufgespürt und zur Beerdigung nach Deutschland gebracht. Das Motto ihrer Aktion: „Die Toten kommen“.

Mit der Frau sollte eigentlich auch ihr ebenfalls ertrunkenes zweijähriges Kind beerdigt werden. Doch am Dienstag hieß es dann, die Leiche des Kindes sei von den italienischen Behörden nicht freigegeben worden.

Ist diese Trauerkundgebung pietätlos oder ist die Politshow in diesem Fall berechtigt? Volker Beck von der Bundestagsfraktion der Grünen sagte der „taz“, tote Flüchtlinge dürften nicht Gegenstand einer Kunstaktion sein. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, nannte die Aktion „hart an der Grenze“. Andererseits blieben die Künstler „an den berührenden Themen dran“, sagte sie der Zeitung.

Tausende Flüchtlinge stranden jedes Jahr an Siziliens Küste, viele überleben die Qual auf dem Meer nicht. Eine große Zahl von Ertrunkenen wird nicht geborgen, etwa die Hunderten Toten vom Unglück im April, die auf dem Meeresgrund liegen. Werden Leichen doch aus dem Wasser geholt, werden sie oft anonym bestattet.

Wenn man Philipp Ruch, einem Sprecher des „Zentrums für Politische Schönheit“, glauben darf, hat eines jener Todesopfer nun die letzte Ruhe in Berlin gefunden. Die 1981 geborene Frau sei aus dem Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus mit ihrem Ehemann und vier Kindern in den Sudan ausgeflogen. In Libyen hätten sie dann die verhängnisvolle Reise nach Europa angetreten. Das Schiff sei gekentert, die Mutter und ein Kind ertrunken.

In monatelangen Recherchen, so Ruch, habe das Zentrum gemeinsam mit Angehörigen nach den Toten gesucht und zehn Grabstätten geöffnet. Die Leichen sollen in den kommenden Tagen ebenfalls nach Deutschland kommen. Viel mehr will Ruch nicht sagen. Erst bei Nachfragen berichtet er, dass der überlebende Mann und drei Kinder in Deutschland auf Asyl warteten. Sie hätten aber wegen der Bestimmungen nicht zur Beerdigung kommen können. Namen und Aufenthaltsort will Ruch nicht verraten.

In den vergangenen Monaten hatte das Zentrum immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik stahlen die Aktivisten 14 Gedenkkreuze für Maueropfer am Spreeufer, später brachten sie sie wieder zurück. Für eine fingierte Hilfsaktion zugunsten von Kindern aus Syrien fälschten sie eine Homepage des Familienministeriums. Der Fake flog schnell auf. Am Sonntag will das Zentrum vor dem Kanzleramt eine „Gedenkstätte der besonderen Art“ errichten, ihrem Aufruf nach soll es ein „Friedhof für die unbekannten Einwanderer“ werden.

Es sei nur ein Zeichen der Menschlichkeit, dass diese syrische Frau nun in Berlin begraben werde, sagt Imam Abdallah Hajjir auf dem Friedhof in Berlin-Gatow. „Das andere, dass sie überleben kann, konnten wir ihr nicht bieten.“ Vor dem aufgeschaufelten Grab hat die Gruppe schwarze, leere Stühle aufgestellt - auf den Rückenlehnen stehen die Namen von Ministern und Regierungsbeamten.