Merkel bei Obama: Hohe Ehrung und heikle Themen
Berlin/Washington (dpa) - Es ist das bislang wichtigste Treffen der Kanzlerin mit US-Präsident Obama. Er bereitet ihr mit einem Staatsempfang hohe Ehre. Das schützt Merkel aber nicht vor unangenehmen Themen.
Obama will mit ihr auch über den Militäreinsatz in Libyen sprechen.
Der Einsatz der Nato, an dem sich Deutschland nicht beteiligt, werde ein größeres Thema sein, hieß es in Regierungskreisen in Berlin vor dem Abflug der Kanzlerin am Montagnachmittag. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte die deutsche Absage an ein militärisches Engagement in Libyen. Deutschland sei aber bereit, humanitäre Hilfe zu leisten, in den Wiederaufbau des Landes zu investieren und die politischen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts zu unterstützen.
Merkel wird auf ihrer Reise von Westerwelle und vier weiteren Ministern begleitet. Zum Abschluss des Besuches verleiht Obama ihr bei einem Staatsbankett die Freiheitsmedaille - die höchste zivile Auszeichnung der USA. Als einziger deutscher Politiker wurde vor Merkel nur Altkanzler Helmut Kohl 1999 damit ausgezeichnet.
Obama hatte Deutschland in einem am Wochenende veröffentlichten Zeitungsinterview indirekt zu einem stärkeren Engagement in Libyen aufgefordert. „Ich freue mich auf die Diskussion mit der Kanzlerin, wie wir gemeinsam noch mehr tun können, um effektiver auf die Veränderungen in der Region zu reagieren, inklusive Libyen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.
Deutschland hatte sich bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat über das Vorgehen gegen Libyen - ebenso wie Russland und China - zur Verwunderung und teilweise Empörung westlicher Verbündeter enthalten. Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi lässt auf sein Volk schießen, um einen Umsturz wie in Tunesien und Ägypten zu verhindern. Angesichts der in Libyen auch nach drei Monaten schwerer Bombardements nicht erfolgreichen Nato zeigen sich deutsche Regierungsmitglieder in ihrer Haltung immer wieder bestätigt.
Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich forderte, Merkel müsse in Washington deutlich machen, dass es keine „deutschen Sonderwege“ mehr geben werde. „Die Irritationen über das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat zu Libyen und bei der Bewältigung der Euro-Krise sind in Washington in vielen Kreisen spürbar“, sagte Mützenich, der gerade von Gesprächen in Washington zurückgekehrt ist, der Nachrichtenagentur dpa.
Libyen ist nur eines von vielen schwierigen Themen bei dem bis Dienstagabend dauernden Besuch der Kanzlerin. Auch das weitere Vorgehen in Afghanistan wird zur Sprache kommen. Obamas Sicherheitsteam erwägt nach einem Zeitungsbericht einen schnelleren Truppenabzug. Gründe für die Überlegungen seien die immensen Kosten des Militäreinsatzes sowie der Tod von Terroristenführer Osama bin Laden, meldete die „New York Times“ am Montag. Die USA wollen Anfang Juli mit dem Abzug beginnen, Deutschland erst Ende des Jahres.
Merkels Delegation gehören neben Westerwelle auch Vizekanzler Philipp Rösler (FDP), Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) sowie Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) begleitet.
Schäuble dürfte bei einem informellen Treffen mit seinem US-Amtskollegen Timothy Geithner über die Nachfolge des wegen einer Sexaffäre zurückgetretenen Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sprechen. Deutschland unterstützt die französische Finanzministerin Christine Lagarde als Kandidatin. Schwellenländer kritisieren den Anspruch Europas auf den Posten.
Der Höhepunkt des USA-Besuchs ist am Dienstagabend. Dann überreicht Obama der Kanzlerin bei einem Staatsbankett die „Medal of Freedom“ (Freiheitsmedaille) für ihren Einsatz für die Freiheit. Auch Merkels Ehemann, der Chemieprofessor Joachim Sauer, wird an ihrer Seite sein. Kaum ein Partner einer so mächtigen politischen Persönlichkeit wie Merkel meidet die Öffentlichkeit so sehr wie Sauer.
Das Verhältnis von Obama und Merkel gilt als nicht so locker wie Merkels Beziehung zu Obamas Vorgänger, George W. Bush. Beide Seiten versichern offiziell aber ihre hohe Wertschätzung. Merkel bekommt von Obama die Freiheitsmedaille für ihren in der DDR gelebten „Traum von Freiheit“ und ihren Weg bis zur Kanzlerschaft als erste Ostdeutsche und erste Frau in der Bundesrepublik.