Bahn: Baustopp für Stuttgart 21 höchstens bis Juli
Stuttgart (dpa) - Bahnchef Rüdiger Grube hat den Kritikern von Stuttgart 21 eine sechswöchige Verlängerung des Baustopps angeboten. „Mein Entgegenkommen, das Projekt Stuttgart 21 bis zum 15. Juli anzuhalten, ist mein letzter Kompromissvorschlag“, sagte Grube den „Stuttgarter Nachrichten“ (Montag).
Die Stadt Stuttgart müsse der Bahn dafür aber entgegenkommen. Andernfalls werde die Bahn bereits an diesem Montag nach der Sitzung des Lenkungskreises „die Baustelle hochfahren und die Vergaben zügig abschließen“.
In der Sitzung mit Vertretern der Projektbeteiligten werde er vorschlagen, den Stresstest für das Milliardenprojekt „etwas zu beschleunigen“, kündigte Grube an. Die Ergebnisse der Computersimulation zur Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs könnten dann vor dem 15. Juli präsentiert werden. Den Test hatte der Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler der Bahn auferlegt.
Grube betonte, dass es von der Deutsche Bahn AG „kein weiteres Entgegenkommen“ mehr geben könne: „Hier ist sozusagen eine rote Linie: Bis hierher und nicht weiter.“ Der 15. Juli sei für die Bahn ein „immens wichtiges Datum“. Bis dahin müssten Tunnelbauarbeiten im Volumen von 750 Millionen Euro vergeben werden. Andernfalls drohten 18 Monate Zeitverzug und erhebliche Mehrkosten, weil dann die europaweite Ausschreibung wiederholt werden müsse.
Vor einer Woche hatte der Bahnchef nach einem Spitzentreffen der Projektträger von Stuttgart 21 angekündigt, die Bauarbeiten an diesem Montag wieder aufzunehmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) war am Freitag mit dem Versuch gescheitert, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) von einer Verlängerung der Bau-Pause zu überzeugen. Die Spitzen der grün-roten Koalition wollten am Sonntagabend bei einem Krisengespräch zu Stuttgart 21 das weitere Vorgehen klären. Die SPD ist für die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs, die Grünen sind dagegen.
Grube sagte: „Wenn wir die Vergaben und Bauarbeiten tatsächlich bis Mitte Juli verzögern, werden wir - weil die neue Eisenbahninfrastruktur nur zum Fahrplanwechsel am Ende eines Jahres in Betrieb gehen kann - voraussichtlich ein volles Jahr verlieren. Das heißt, Stuttgart 21 würde nicht wie geplant Ende 2019, sondern Ende 2020 in Betrieb gehen.“ In diesem Fall drohten der Deutschen Bahn Forderungen der Stadt Stuttgart in Höhe von 33 Millionen Euro. Diese Summe „können und dürfen wir nicht übernehmen“, sagte Grube. „Hier müsste die Stadt einen Beitrag leisten.“
Sollte die grün-rote Landesregierung den Bau- und Vergabestopp bis zur geplanten Volksabstimmung über Stuttgart 21 im Oktober ausdehnen wollen, würde dies eine Verzögerung von drei Jahren und Kosten von 410 Millionen Euro bedeuten, erklärte Grube: „Wir können uns nicht vorstellen, dass das Land diese gewaltigen Kosten übernimmt.“
Grün-Rot hat es bisher strikt abgelehnt, dass das Land sich an den Kosten für die Bauverzögerung beteiligt. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann sorgt allerdings bei der SPD für Unmut, weil er hartnäckig auf einen Baustopp bis zur Volksabstimmung im Herbst pocht. Der Vorschlag einer mehrwöchigen Verlängerung des Baustopps sei bisher an Hermann gescheitert, hieß es am Wochenende in SPD-Kreisen.
Eine weitere Diskussion über den Stresstest lehnte Grube im Zeitungsinterview ab: „Wir stellen uns das so vor, dass uns die Landesregierung verbindlich zusichert, dass die Testergebnisse bei Leistungsnachweis am Tag der Präsentation von allen Beteiligten akzeptiert werden.“
Bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sei der gute Wille zu spüren, den Streit zu entschärfen. „Alle Beteiligten wollen eine Lösung; allen voran der Ministerpräsident“, sagte Grube. Das Land Baden-Württemberg sei wie alle anderen Vertragspartner von Stuttgart 21 verpflichtet, das Projekt mit Nachdruck zu verwirklichen. „Wer seiner Projektförderpflicht nicht nachkommt, macht sich angreifbar, wenn nicht strafbar.“