Die Kanzlerin müht sich im Berliner Wahlkampf - immer dabei: ihre lautstarken Gegner Merkel im Wahlkampf: Am Rande der Eskalation

Berlin. Angela Merkel könnte auch den leichten Weg nehmen. Der wäre von hinten direkt auf die Bühne. Doch die Kanzlerin macht es sich alles andere als einfach. Sie hält mit ihrer Kolonne genau auf der anderen Seite des Kranoldplatzes in Berlin-Lichterfelde, um dann von dort mit dem CDU-Spitzenkandidaten Frank Henkel einmal durch die Menge über den Platz zu gehen.

Die Kanzlerin hat es nicht leicht: Im Politikbetrieb macht ihr die CSU das Leben schwer. Im Wahlkampf sind die Gegner nicht minder leise.

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An jenen vorbei, die Merkel ihren Hass hören und spüren lassen. Die sie anfeinden und beschimpfen. So ist das im Moment, wenn die Kanzlerin Wahlkampf macht. Fast immer am Rande der Eskalation. Lautes Gebrüll, Schreie und Pfiffe empfangen sie bei der Wahlveranstaltung der Berliner CDU. Es sind die Rechten, die jeden Auftritt Merkels inzwischen begleiten und die immer wieder von der Polizei abgedrängt werden müssen. Und es sind viele. Merkel lächelt tapfer, sie scherzt mit Henkel, lässt sich nichts anmerken. Doch so viel Wut war lange nicht: "Hau ab", "Merkel muss weg", rufen die Aufgebrachten. Als die Buh-Rufe zu laut werden, dröhnt plötzlich aus den Boxen der Wahlkampfsong der hiesigen CDU - "Starkes Berlin", gesungen von Tobias de Borg, einem Schlagersänger im lila Sakko. Die Stimmung hebt das nicht.

Wahlkampf zu machen, war mal deutlich erfreulicher für Angela Merkel. Wenn früher auf den Plakaten stand, "Die Kanzlerin kommt", dann strömten die Menschen zu den Plätzen. In Berlin-Lichterfelde sind diesmal nur ein paar Hundert gekommen. Auch ist es noch nicht so lange her, dass Merkel meist wohlwollend empfangen wurde. Doch ihre Flüchtlingspolitik hat alles verändert, die Gesellschaft ist in Wallung. "Wahlkampf macht keinen Spaß mehr", sagt einer von der Union. "Ständig wird man angefeindet", ergänzt er. Der Frust ist groß. Da spielt womöglich auch eine Rolle, dass die Union an der Spree vor sich hin dümpelt. Merkels Spitzenmann, Frank Henkel, kämpft auf verlorenem Posten. Seine Botschaften zünden nicht. Sollte die noch mit der SPD regierende CDU bei den Wahlen am Sonntag in der Opposition landen, ist das auch für die Kanzlerin fatal. Nicht nur, weil die Wahl in der Hauptstadt immer auch etwas mit Prestige zu tun hat. Sondern vor zwei Wochen gab es schon das miserable Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern, wo die CDU sogar schlechter als die AfD abschnitt. Das wurde Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik angelastet. Der Druck auf die Kanzlerin ist seitdem noch größer.

Nun tickt die Hauptstadt anders als MeckPomm, darauf weist man auch in der CDU-Zentrale hin. Die Probleme sind andere, die Flüchtlingsfrage ist nicht das beherrschende Thema. Und in den Großstädten hat die Union ohnehin seit Jahren ein Problem, weil sie nicht mehr den Nerv der urbanen Hipster trifft. Deshalb liegt sie in den Umfragen in Berlin auf Rang drei hinter SPD und Grüne, aber vor der AfD. Spitzenkandidat Henkel ist außerdem kein Gewinner-Typ, so dass die Schmach, die am kommenden Sonntag zu erwarten ist, zuallererst mit ihm, und dann erst mit Merkel nach Hause gehen dürfte.

Auf dem Kranoldplatz bemüht sich die Kanzlerin unbeirrt, gegen den Trend anzureden. Sie lobt ausgiebig die CDU-Politik in der Hauptstadt. Die Union habe in Berlin immer bewiesen, "dass sie es kann", so Merkel - prompt brüllt jemand aus der Menge: "Du kannst es nicht." Merkel erinnert daran, dass Berlin früher auch viel Solidarität erfahren habe, sie beschwört den Geist der Freiheit. "Angie, Angie" ist in den vorderen Reihen zu hören - wie eine Trotzreaktion auf die Buhrufe. Merkel spricht von einem "besonderen Jahr", das hinter dem Land liege. "Humanitäre Verantwortung" sei gefragt gewesen, zugleich lobt sie die Erfolge in der Flüchtlingspolitik. Ihr berühmtes "Wir schaffend das" wiederholt sie nicht. Das wäre vermutlich zu viel der Provokation. Nach ihrer Rede verlässt Merkel abgekämpft das Podium. Ihre Wagenkolonne steht diesmal hinter der Bühne.