Merkel nun doch für Juncker an der EU-Spitze
Nach Kritik stellt sich die Kanzlerin hinter den Luxemburger als neuen Chef der Kommission.
Regensburg. Selten, sehr selten, ist die Kanzlerin derart scharf, einhellig und auch aus den eigenen Reihen so gescholten worden wie nach ihrem Auftritt am vergangenen Dienstag in punkto EU-Kommissionspräsident. Mit ihrem Zaudern, den Spitzenkandidaten der eigenen siegreichen Konservativen bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker, wie von den Wählern erwartet zum EU-Kommissionspräsidenten vorzuschlagen, hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel erheblich in Misskredit gebracht. Am Freitag zog sie dann die Notbremse — auf dem Katholikentag in Regensburg.
Merkel wollte offensichtlich verhindern, dass die Kritik an ihr über das Wochenende eine Dynamik entwickelt, die sie immer schwerer hätte durchbrechen können. Und so sprach sie sich klar dafür aus, dass Juncker der neue Chef der EU-Kommission werden soll. „Deshalb führe ich jetzt alle Gespräche in diesem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der Europäischen Kommission werden sollte.“
Zögern gehört zum politischen Handwerk der Angela Merkel. Kollegen, Konkurrenten und Kontrahenten kennen das seit langem. So manches Mal hat sie damit am Ende mehr herausholen können als mit einer schnellen Reaktion.
Mit ihrem Verhalten gegenüber Juncker aber empörte die sonst recht instinktsichere CDU-Chefin EU-Parlamentarier, Koalitionäre und Wähler gleichermaßen. Um in der Runde der 28 EU-Staats- und Regierungschefs auch Gegner Junckers wie den EU-kritischen britischen Premierminister David Cameron oder den nationalkonservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban noch einzubinden, hielt sie alle Türen offen. Sie sagte: „Wir haben Jean-Claude Juncker für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert. Die ganze Agenda kann von ihm, aber auch von vielen anderen durchgesetzt werden.“
Von vielen anderen. Das saß. Von Merkel, die ungebrochen als mächtigste Frau der Welt und führender Kopf in Europa gilt, war mehr erwartet worden als ein Lavieren mit Staatenlenkern, die sich nicht mit besonders viel Engagement für die Europäische Union hervortun. Auch in der Union hätte sich mancher gewünscht, dass sie Cameron, der Brüssel für „zu groß, zu rechthaberisch und zu eingreifend“ hält, einmal die Leviten liest.