Porträt: Juncker kämpft um die Macht
Brüssel (dpa) - Jean-Claude Juncker (59) hat in der Politik schon viel erlebt und Wichtiges getan. Als Premierminister Luxemburgs amtierte er 18 Jahre, bis sich im Dezember 2013 schließlich drei Parteien zusammentun konnten, um den Übervater der Christsozialen in die Opposition zu schicken.
Juncker hat den Vertrag von Maastricht und den Euro miterfunden, war von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Eurogruppe.
EU-Kommissionspräsident hätte er in der Vergangenheit auch schon werden können. Nun hat er noch einmal eine Chance. Nachdem die Europäische Volkspartei (EVP) die stärkste Fraktion im neuen Europaparlament ist, kann er nach einer Mehrheit im Parlament suchen.
Juncker ist mit dem Geruch von Kohle und Stahl aufgewachsen und von Kindesbeinen an in der christlichen Arbeiterbewegung Luxemburgs politisch sozialisiert worden. Der gelernte Jurist - der nie als Anwalt gearbeitet hat, weil er schon seit 30 Jahren in der Politik ist - betrachtet das Soziale als christliche Aufgabe.
Berührungsängste zur Sozialdemokratie kennt er nicht. „Wir müssen die soziale Dimension des Binnenmarktes und der Währungsunion weiterentwickeln“, lautet eines seiner Hauptziele. Das soll einerseits „Wachstum und Arbeitsplätze“ bedeuten, aber auch „Haushaltskonsolidierung“ - Einsparungen also. „Es ist mir nicht bange, dass ich Schnittmengen mit den Sozialisten und mit anderen zustande bringen werde, ohne mich auf die Knie zu werfen vor denen, die die Wahl nicht gewonnen haben“, sagte er nach der Europawahl.
Juncker gilt als einer der erfahrensten und geschicktesten „Strippenzieher“ und „Netzwerker“ in der EU. Jahrzehntelang hat der vielsprachige Luxemburger vor allem zwischen den beiden großen Nachbarn Deutschland und Frankreich politisch hin- und herbalanciert, hat vermittelt, geraten und notfalls auch als inoffizieller Sprecher der kleinen EU-Staaten Druck gemacht und Ärger ausgelöst.
Im Oktober 2013 musste Juncker nach 18 Jahren das Amt des Premierministers von Luxemburg aufgeben, weil seine Partei, die die größte im Parlament war, keine Koalitionspartner fand. Nun ist er entschlossen, dass sich das auf EU-Ebene nicht wiederholt. „Ich bin bereit, über Substanzielles vor allem mit der sozialistischen Partei zu reden, weil es keine Mehrheit jenseits der sogenannten großen Koalition zwischen den Christdemokraten und den Sozialisten gibt“, sagte er.