Merkel will spezielle Ost-Förderung beenden
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel will die spezifische Förderung Ostdeutschlands nach 2019 beenden, den Solidaritätszuschlag aber beibehalten. 2019 läuft der Solidarpakt II aus.
„Manche Regionen in den neuen Ländern stehen wirtschaftlich besser da als Teile der alten Bundesrepublik“, sagte die CDU-Vorsitzende der „Welt am Sonntag“. Die Einnahmen aus dem Soli, der im Zusammenhang mit der deutschen Einheit eingeführt worden war, will Merkel künftig für Infrastrukturmaßnahmen in ganz Deutschland nutzen.
Die Kanzlerin sprach von einer reinen Bundessteuer von derzeit rund 13 Milliarden Euro. „Wenn ich auf die nächsten Jahren blicke, sehe ich großen Investitionsbedarf, und zwar in ganz Deutschland, etwa in Straße und Schiene.“ Zudem wolle Deutschland in der nächsten Legislaturperiode endlich Staatsschulden zurückzahlen. „Ich sehe nicht, wie wir einen Betrag in dieser Höhe an anderer Stelle einsparen könnten“, sagte Merkel.
FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüder lehnte es ab, den Solidarpakt in einen neuen Länderfonds ab 2020 überzuleiten. „Statt neue Töpfe wie einen Deutschland-Fonds zu erfinden, müssen wir irgendwann den Deckel drauf machen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Für den Soli könne es „keine Ewigkeitsgarantie“ geben. Der Generalsekretär der Thüringer FDP, Patrick Kurth, betonte: „Der Solidaritätszuschlag hat seine Zukunft hinter sich.“ Die Bürger müssten entlastet werden. „Dazu werden wir den Soli in der kommenden Legislaturperiode schrittweise vollständig abschaffen.“
Dietmar Bartsch, der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, erklärte dagegen: „Wir brauchen jetzt kein Wahlkampfgeklingel, sondern nach der Wahl eine seriöse Diskussion über einen "Soli 3".“ Die SPD warf Merkel Ideenklau vor: „Sie bemächtigt sich dabei unter anderem der sozialdemokratischen Forderungen nach einer wesentlich modernisierten Infrastruktur“, erklärte Fraktionsvize Joachim Poß am Sonntag in Berlin.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles monierte angesichts der FDP-Forderung nach einer mittelfristigen Abschaffung des Solis, die Bundesregierung sei bei dem Thema gespalten: „Straßen und Brücken sind kaputt, Schulen marode und die Bundesregierung streitet.“ Berlins parteiloser Finanzsenator Ulrich Nußbaum machte sich für einen Fonds stark, der auch eine Lösung für die übermäßigen Altschulden einiger Länder anbietet.
Nach Berechnungen des Steuerzahlerbunds entwickeln sich die Einnahmen des Bundes durch den Solidaritätszuschlag im Vergleich zu seinen Ausgaben für den Solidarpakt II zum wachsenden Gewinngeschäft. Wie die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf die Organisation berichtet, nimmt der Bund von 2005 bis 2019 insgesamt 207,8 Milliarden Euro durch den Solidaritätszuschlag ein. Für den Aufbau Ost würden in dieser Zeit aber nur etwa 156 Milliarden Euro ausgegeben. Der Soli ist ein 5,5-prozentiger Aufschlag auf die Lohn- und Einkommenssteuer sowie auf die Kapitalertrags- und Körperschaftssteuer.
2019 läuft nicht nur der Solidarpakt aus, sondern auch die bisherigen Regelungen des Länderfinanzausgleichs. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert deshalb eine grundlegende Reform der Finanzierungen von Bund und Ländern. „Wir brauchen eine Föderalismuskommission III“, sagte er der „Welt“ (Montag).
Der Vorschlag der thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), als Nachfolgeinstrument für den Solidarpakt II einen bundesweit einsetzbaren Deutschlandfonds zu schaffen, nannte Kretschmann einen „interessanten Ansatz“. Auch Merkel bezog sich ausdrücklich auf den Lieberknecht-Vorstoß.