Merkels Worte verhallen in der Kölner Keupstraße

Köln. Angela Merkel spricht in Köln-Mülheim. Sie spricht zwischen Pappbechern und Feuerzeugen, „Wodka Gorbatschow“ und Sammelbildern von Lukas Podolski. Sie spricht aus einem ganz kleinen Fernseher unter der Ladentheke im Kiosk Özdemir an der Keupstraße.

Sie bittet um Verzeihung. Verzeihung dafür, dass die Angehörigen der Opfer von Neonazi-Anschlägen lange selbst verdächtigt worden sind. Aber niemand hört ihr zu.

Die Keupstraße ist in ganz Köln als „Türkenstraße“ bekannt. „Café Ankara“ reiht sich dort an „Herrenbekleidung Öz Moda“ und „Juwelier Özlem“ an „Restaurant Mevlan“. Vor dem Friseursalon von Özcan Yildirim explodierte an einem Tag im Juni 2004 eine Nagelbombe. 22 Menschen wurden verletzt.

Die Polizei ging danach lange von einer Abrechnung im kriminellen Milieu aus. Vor allem dem Friseur selbst habe sie zugesetzt, erinnert sich Mitat Özdemir (64), Vorsitzender der Interessengemeinschaft Keupstraße. „Er ist ständig verhört worden, er ist früh morgens aus dem Bett geholt worden. Grausam.“

Als im vergangenen November herauskam, dass die Zwickauer Neonazis auch den Anschlag in der Keupstraße verübt hatten, gaben sich dort ein paar Tage lang die Bundespolitiker die Klinke in die Hand. „Aber so schnell wie es begann, war es auch wieder zu Ende“, sagt Özdemir. Er würde sich wünschen, dass die Politiker herkämen und in der Straße einkauften. „Damit unser guter Ruf wiederhergestellt wird.“

Özdemir zieht seinen Mantel über und geht die Straße entlang. Die meisten hier nehmen die Feierstunde gar nicht zur Kenntnis. „Ich weiß nichts davon“, sagt der Kellner Tolga Ulu (21), der gerade eine Zigarettenpause einlegt. Andere äußern sich ähnlich.

Im Café Cengizhan hängt eine Landkarte der Türkei neben deutschen Biedermeier-Motiven. Der Wirt, Erol Alkan (67), ein Mann mit buschigem grauen Schnäuzer, hat den Anschlag miterlebt. Seine Tochter, die nebenan einen Schmuckladen betreibt, stand kurz vorher noch draußen, aber dann klingelte im Geschäft das Telefon. Sie ging hinein, und da explodierte die Bombe. An der Stelle, wo sie gestanden hatte, war alles voller Nägel.

Es ist zwölf Uhr - Zeit für die Schweigeminute. Die Gäste im Café, allesamt alte Herren, die Tee trinken und Backgammon spielen, stehen auf. Einige wissen nicht, worum es geht. Draußen auf der Straße fahren Autos vorbei. Auch die Bahnen am Ende der Straße bleiben nicht stehen - so kurz nach Karneval habe man das nicht organisieren können, heißt es bei den Verkehrsbetrieben.

Als sich die Gäste im Café wieder setzen, gibt es eine kleine Szene. Özdemir macht Alkan Vorwürfe, dass er die Schweigeminute nicht besser organisiert habe. „Was gibt's da zu organisieren?“, fragt Alkans deutsche Lebenspartnerin Cornelia Barendt-Höfgen. „Wer mitmachen will, steht halt auf. Und wer's nicht will, lässt es bleiben!“

An der Theke wird noch länger diskutiert. Erol Alkan schüttet Tee ein. Hat er Angst, seit gegenüber die Bombe explodiert ist? „Nein“, sagt er mit großer Bestimmtheit. „Wenn das so wäre, würde ich nicht hier bleiben. Dann würde ich gehen.“