Weiter Debatte über Gauck-Kür
Berlin/Passau (dpa) - Nach dem Koalitionskrach um die Kür des nächsten Bundespräsidenten bemühen sich die Regierungsparteien um Schadensbegrenzung. Die Debatte über inhaltliche Positionen des designierten Staatsoberhaupts Joachim Gauck geht aber weiter.
Gauck selbst wird am Donnerstag an der Berliner Gedenkveranstaltung für die Opfer der Neonazi-Morde teilnehmen.
„Wir haben ja mit der Kandidatur von Herrn Gauck überhaupt keine Probleme, im Gegenteil, wir unterstützen das“, sagte CSU- Generalsekretär Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich glaube, dass er ein guter Bundespräsident für Deutschland ist.“ Sein Kollege Patrick Döring von der FDP sagte: „Ich würde die Benennung um unser höchstes Amt im Staate nicht als Machtpoker bezeichnen.“ Spekulationen über eine Ampelkoalition wies er zurück. „Die Entscheidung für Joachim Gauck hat überhaupt nichts mit Überlegungen für das Wahljahr 2013 zu tun.“
Auch der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber verteidigte die Zustimmung seiner Partei für Gauck. „Dieser Bundespräsident in spe ist eine sehr gute Wahl, die ich auch persönlich unterstütze“, sagte Stoiber beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Er verwies auf die ablehnende Haltung Gaucks zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. „Was soll ich denn eigentlich gegen den Mann einwenden?“
SPD-Chef Sigmar Gabriel griff den zurückgetretenen Bundespräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf an. Merkel habe Leute in Amt und Würden gebracht wie Wulff, „der sich wie ein Amigo benimmt, der das Land sich selbst und der CDU zur Beute macht“, sagte Gabriel auf der Aschermittwochs-Kundgebung der SPD in Vilshofen. „Es wird Zeit, dass wir nicht nur einen besseren Bundespräsidenten bekommen, sondern auch einen besseren Bundeskanzler oder eine bessere Bundeskanzlerin.“
Auch Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die Bundesregierung wegen deren Umgang mit der Affäre Wulff. Beim Politischen Aschermittwoch in Landshut sagte sie, Merkel habe zu lange ihre schützende Hand über Wulff gehalten. Joachim Gauck könne dem Bundespräsidentenamt nun Würde zurückgeben.
Die Linke will möglicherweise die Nazijägerin Beate Klarsfeld gegen Joachim Gauck in das Rennen um das Bundespräsidentenamt schicken. Die 73-Jährige erklärte sich am Mittwoch über ihren Mann zu einer Kandidatur bereit. Die Linke will an diesem Donnerstag in einer Spitzenrunde über einen eigenen Personalvorschlag für das höchste Staatsamt entscheiden. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sagte im bayerischen Tiefenbach zur Entscheidung für Gauck ohne Einbeziehung der Linken: „Das, finde ich wirklich, ist ein Skandal.“ Millionen Wählerinnen und Wähler seien damit nicht berücksichtigt worden.
Der designierte Bundespräsident nimmt an diesem Donnerstag an der zentralen Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Morde in Berlin teil. Dies sei für Gauck eine Selbstverständlichkeit, hieß es aus seiner Umgebung. Gauck hatte sich zunächst nach einem Bericht von „Welt kompakt“ gegen eine solche zentrale Gedenkveranstaltung ausgesprochen. Er forderte stattdessen eine stärkere Unterstützung von Bürgerbündnissen gegen Rechts.
In den Vortagen war Gauck wegen seines Privatlebens vereinzelt kritisiert worden. Er ist seit Jahren mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt zusammen. Nach den Worten von Gaucks Ehefrau gibt es keine Absprache zu einer möglichen Scheidung. Das berichtete die „Ostsee-Zeitung“ aus Rostock (Mittwoch). Gerhild Gauck sagte: „Warum wird das jetzt so wichtig?“ Die Gesellschaft sei doch offen auch für andere Partnerschaften. „Guido Westerwelle ist Außenminister und wird von seinem Lebenspartner begleitet“, sagte sie der Zeitung. Das Ehepaar Gauck lebt seit gut 20 Jahren getrennt. Das Paar hat vier Kinder. „Wir haben abgesprochen, dass wir zu Privatem nichts sagen. Jedenfalls nicht vor der Bundespräsidentenwahl“, betonte sie.
Der Theologe Friedrich Schorlemmer äußerte Bedenken gegen die Nominierung Gaucks. Kritik und Widerspruch gehörten nicht zu dessen Stärken, sagte Schorlemmer der „Leipziger Volkszeitung“ (Mittwoch). „Gauck ist von Gauck überzeugt.“ Er könne überzeugend über Freiheit reden, müsse aber seine thematische Bandbreite erweitern. „Zur Freiheit gehört immer auch die Gerechtigkeit. Manche seiner Äußerungen über die Schwachen in unserer Gesellschaft empören mich geradezu.“