Minister: „Verzicht auf V-Leute ist gefährlich“
Berlin/Wiesbaden (dpa) - Der Verfassungsschutz kann nach Ansicht von Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) bei der Beobachtung von Extremisten nicht auf V-Leute verzichten. „Es wird nicht ohne Quellen gehen, wenn wir etwas über die Strategie von Extremisten erfahren wollen“.
Das sagte Rhein mit Blick auf die rechtsextreme NPD, deren Verbot angestrebt wird. Der Verzicht auf V-Leute sei gefährlich und werde von der Innenministerkonferenz nicht gefordert, sagte Rhein, der zur Zeit Vorsitzender des Gremiums ist, der Nachrichtenagentur dpa. „Dann wären wir in der Tat auf dem rechten Auge blind.“
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte vor kurzem den Bundesländern und dem Bund empfohlen, ihrem Land zu folgen und alle V-Leute des Verfassungsschutzes aus den NPD-Führungsgremien abzuziehen. Damit könne ein Verfahrenshemmnis auf dem Weg zum NPD-Verbot beseitigt werden. Ähnlich hatte sich zuvor der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) geäußert. Wegen der unklaren Rolle von V-Leuten in NPD-Vorständen war 2003 ein erstes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Ohne den Einsatz von V-Leuten wären auch im islamistischen Bereich viele Anschläge nicht verhindert worden, erläuterte Rhein. „Sonst hätten wir die Sauerland-Attentäter nicht von ihrem Tun abhalten können.“ Im Verbotsverfahren gegen die NPD gehe es jetzt darum, die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft abzuwarten. „Wenn es eine strukturelle Verwicklung der NSU (des Nationalsozialistischen Untergrunds) mit der NPD gibt, dann müssen wir über das Thema V-Leute gar nicht mehr diskutieren.“ Dann sei ein Verbot auch ohne entsprechende Vorgaben möglich, meinte er.
Die Debatte über ein NPD-Verbot war nach dem Bekanntwerden der rechtsextremen Mordserie mit zehn Toten wieder aufgekommen. Wie die Fahndungspannen rund um die Zwickauer Neonazi-Zelle parlamentarisch aufgeklärt werden sollen, ist weiterhin offen. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi setzt auf einen Bundestags-Untersuchungsausschuss. „Die Grünen wollen ihn auch, und in der SPD gibt's eine Debatte“, sagte Gysi der dpa. Er hoffe, dass es im Januar eine Entscheidung gebe.
Gysi sagte: „Ein solches Versagen der Sicherheitsbehörden, aber auch der Strafverfolgungsbehörden, das können wir nicht einfach schweigend übergehen.“ Eine umfassende und öffentliche Aufklärung verlange gerade nach dem strafprozessualen Rahmen: „Den hat nur ein Untersuchungsausschuss. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig“, sagte Gysi. Neben einem Untersuchungsausschuss sind auch eine Bund-Länder-Kommission und ein Sonderermittler im Gespräch. Vor Weihnachten hatten sich die Fraktionen nicht mehr darauf einigen können, wie die Vorgänge parlamentarisch aufgearbeitet werden sollen.