Nach dem Wahlsonntag: Ein Schwelbrand im Hause Union

Die Wahlen in Österreich und Niedersachsen schwächen Angela Merkel weiter. Und was macht sie? Sie bleibt bei ihrem Kurs.

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Berlin. In die Defensive ließ sich Angela Merkel am Tag danach durch den Misserfolg in Hannover nicht bringen. Erstens sei ja Rot-Grün abgewählt worden, und zweitens habe man zuvor drei Landtagswahlen in diesem Jahr gewonnen. Nein, geschwächt fühle sie sich nicht. „Wir gehen sehr selbstbewusst in die Gespräche“. Die Lage in der Union ähnelt im Moment einem Schwelbrand. Die Kritik ist nicht verebbt, wird aber derzeit wegen der Koalitionssondierungen zurückgehalten.

Die meisten CDU-Vorstandsmitglieder betonten, dass in Niedersachsen Landesthemen entschieden hätten. Selbst Bernd Atlhusmann verkniff sich Retourkutschen Richtung Berlin. Von „Mitleidseffekt“ für die im Bund gebeutelte SPD bis „zu wenig Zeit“ für seinen eigenen Wahlkampf reichten die Erklärungen des gescheiterten Niedersachsen-Herausforderers, der bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel recht munter wirkte. Es gebe „keinen Grund in Sack und Asche zu gehen“.

Nur der CDU-Wirtschaftsrat meldete sich mit harscher Kritik zu Wort. Dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger erinnerte an den Abend der Bundestagswahl. „Die Wahlverlierer, die damals gesagt haben „Wir haben verstanden“, haben in Hannover gewonnen. Diejenigen, die erklärten, sie hätten „alles richtig gemacht“, sind diesmal Verlierer.“ Das zielte direkt auf Merkel. Allerdings gilt der Wirtschaftsrat in der Union als notorischer Querulant.

Die schwierige Situation von Horst Seehofer dürfte dazu beigetragen haben, dass offene Kritik an Merkel auch in München weitgehend unterblieb. Der CSU-Chef hatte in seinem Vorstand alle Mühe, die schwelende Personaldebatte erst einmal zu verschieben, und das war angesichts verschiedener Rücktrittsforderungen an diesem Montag für ihn das wichtigste. Erst die Sondierungen in Berlin, dann die Personalentscheidungen in München, so Seehofers Credo. „Es war mir wichtig, diese Schrittfolge einzuhalten.“

In die Tonlage seines Generalsekretärs Andreas Scheuer vom Wahlabend, dass Niedersachsen ein „erneutes Alarmsignal“ sei, fiel der CSU-Chef jedenfalls nicht ein. Allerdings ließ sich Seehofer im CSU-Vorstand den letzte Woche erzielten Kompromiss mit der CDU in der Flüchtlingsfrage absegnen. Das müsse nun die Grundlage für Sondierungen sein.

Womöglich nachhaltiger als Niedersachsen wirkt in diesem Zusammenhang das österreichische Wahlergebnis auf den Streit der Schwesterparteien. Die Münchener pflegen beste Kontakte zum siegreichen ÖVP-Chef Sebastian Kurz. In der Flüchtlings- und Europapolitik habe man jetzt noch mehr Unterstützung, meinte Seehofer. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte, Österreich zeige, „dass Wahlen Mitte-rechts gewonnen werden können". Kurz als Kronzeuge gegen Merkel.

Doch die Kanzlerin wies das sehr offensiv zurück. Die Unterschiede in der Flüchtlingspolitik seien „im Konkreten nicht so groß“, meinte sie. Außerdem sei der eigentliche Wendepunkt beim Flüchtlingsthema das Türkei-EU-Abkommen gewesen. „Das wurde in der CDU nie richtig angenommen“, fand Merkel. Zum Schluss schoss die CDU-Chefin sogar noch einen richtigen Pfeil auf ihre innerparteilichen Gegner ab: Wenn man den Eindruck erwecke, es sei seit 2015 nichts passiert in der Flüchtlingsfrage, „dann muss man sich nicht wundern, dass die Menschen denken, die lösen die Probleme nicht“.