Wirbel um Beförderung Neue Diskussion um Vorwürfe gegen Schulz
Brüssel (dpa) - SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sieht sich wegen rechtswidriger Personalentscheidungen aus seiner Zeit in Brüssel mit neuer Kritik konfrontiert.
Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament bezeichnet jetzt Erklärungsversuche für das Verhalten von Schulz als vollkommen unglaubwürdig.
Zu der Zeit, in der Schulz als Parlamentspräsident die Sonderzahlungen und Beförderungen für Mitarbeiter habe veranlassen wollen, sei er bereits mehr als drei Jahre im Amt gewesen, sagte die CDU-Politiker Inge Gräßle der Deutschen Presse-Agentur. Schulz habe wissen müssen, „dass er dafür nicht alleine zuständig ist und dass es gültige Verfahren gibt“.
„Von jemandem, der den Anspruch hat, Kanzler zu werden, hätte ich schon erwartet, dass er zumindest die Beförderung von Mitarbeitern richtig hinbekommt“, kommentierte Gräßle. Das, was unter Schulz im EU-Parlament passiert sei, könne man nur als „Vetternwirtschaft“ bezeichnen.
Nach Angaben aus der EU-Parlamentsverwaltung hatte Schulz in seiner Amtszeit als Präsident des EU-Parlaments zugelassen, dass ein Mitarbeiter für sich und Kollegen Beförderungsbeschlüsse formulierte. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollte mit den Beschlüssen regelwidrig festgelegt werden, dass die Mitarbeiter nach ihrem Ausscheiden aus dem Team von Schulz lukrative Dienstgrade behalten.
Schulz hatte die als Präsidentenbeschluss verfassten Entscheidungen im Oktober 2015 unterschrieben. Sie waren erst von der Parlamentsverwaltung gestoppt worden. Das Parlament hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass Schulz nach eigenen Angaben überzeugt war, dass die Beschlüsse im Einklang mit geltenden Regeln stehen.
„Wenn ich meine Steuererklärung falsch ausfülle, dann interessiert das Finanzamt auch nicht, dass ich es angeblich gut gemeint habe“, sagte Gräßle dazu.
Der Gruppenchef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, nahm seinen Parteifreund Schulz hingegen in Schutz. „Martin Schulz hat um eine Beförderung gebeten, die nicht umsetzbar war. Wenn das alles ist, was von den Vorwürfen übrig bleibt, dann halte ich das für völlig vernachlässigbar“, sagte er.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kabinett des EP-Präsidenten hätten „eine deutlich höhere Schlagzahl“ als andere EU-Beamte. „Wenn da irgendeiner ist, der richtig malocht, dann überlege ich mir schon, was kann ich für den tun, um die Motivation hochzuhalten“, sagte Geier.
In Schulz-Kreisen wird zudem darauf verwiesen, dass die Mitarbeiter damals Anspruch auf mehr Geld gehabt hätten. In der Parlamentsverwaltung wird das bestätigt, gleichzeitig aber eingeräumt, dass der Versuch, sich eine dauerhafte Höherstufung auf der Karriereleiter zu sichern, nicht rechtmäßig gewesen sei. Deswegen bekamen die Mitarbeiter im Dezember 2015 nur eine deutlich unattraktivere Beförderung.
Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, Gräßle, will nun erreichen, dass in der Parlamentsverwaltung Konsequenzen aus den Vorgängen gezogen werden. Sie hat Änderungsanträge für den nächsten Entlastungsbericht eingereicht. Mit ihnen soll unter anderem gefordert werden, dass die rechtswidrigen Personalentscheidungen von Schulz formal widerrufen werden. Zudem soll die Verwaltung aufgefordert werden zu prüfen, ob der Präsident des Europaparlaments nicht künftig daran gehindert werden sollte, Sonderzulagen in unbegrenzter Höhe an seine Kabinettsmitglieder zu vergeben.
Über den Entlastungsbericht soll Ende des Monats im Haushaltskontrollausschuss und dann im April in der Vollversammlung abgestimmt werden.
Martin Schulz hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, in seiner Zeit als EU-Parlamentspräsident Mitarbeiter begünstigt zu haben. Der 61-Jährige war von 2012 bis Anfang 2017 Präsident der EU-Volksvertreter. Ende Januar wurde er zum SPD-Kanzlerkandidaten gekürt.