Interview mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages Norbert Röttgen über die politischen Folgen von Trumps Wahlsieg
Berlin. Die Welt ist voller Krisenherde: Syrien, Ukraine, der Nahe Osten. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), wird die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten den Druck auf Europa erhöhen, deutlich mehr für die eigene Sicherheit zu tun.
Vor allem, wenn Trump mit dem russischen Präsidenten Putin ein "Spezialverhältnis" eingehe, so Röttgen im Gespräch mit unserer Redaktion.
Herr Röttgen, gibt es irgendetwas Positives, was Sie dem Wahlsieg Trumps abgewinnen können?
Röttgen: Ich bin noch nicht darauf gekommen.
Was ist mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen nun das Vordinglichste?
R: Der Ball liegt jetzt im amerikanischen Feld. Was die US-Außenpolitik anbelangt, hat Donald Trump als Wahlkämpfer viele Unsicherheiten sowie eine große Unvorhersehbarkeit erzeugt. Wir können nur darauf warten, dass schnell Personalentscheidungen getroffen werden, die die Rückgewinnung von Berechenbarkeit in gefährlichen Zeiten bedeuten.
Gehen wir die globalen Problemlagen mal durch: Wird die Lösung des Syrien- und des Ukraine-Konfliktes nun schwerer?
R: Das muss nicht sein. Wenn Trump jedoch ein neues, freundschaftliches Spezialverhältnis zum russischen Präsidenten Putin aufbaut, dann wäre die Einheit des Westens auf einmal von amerikanischer Seite aus gefährdet. Das würde eine signifikante, geopolitische Veränderung bedeuten mit Relevanz für die Friedensbemühungen in der Ukraine und dem Nahen Osten.
Wie groß ist die Gefahr, dass Putin dann womöglich auch nach dem Baltikum greift?
R: Das wäre der Ernstfall. Und das müssen der Westen und die Nato dem russischen Präsidenten immer wieder klarmachen. Wenn keine Zweifel an unserer Haltung aufkommen, ist das der beste Beitrag, ein solches Verhalten Putins zu verhindern. Ich bin mir allerdings sicher: Putin wird sein Glück über den Ausgang der US-Wahl kaum fassen können.
Wäre eine Nato ohne das Mitglied USA denkbar?
R: Nein, dann wäre es nicht mehr die Nato. Trump hat das Militärbündnis im Wahlkampf in Frage gestellt. Nun müssen wir darauf warten, was das bedeutet. Ich will mir aber nicht vorstellen, dass er mit dem wichtigsten Teil der bisherigen amerikanischen Außenpolitik seit dem zweiten Weltkrieg bricht.
Das vielleicht nicht, aber Europa wird sich sicherlich selbst mehr schützen müssen.
R: Auch eine Präsidentin Clinton hätte von uns verlangt, mehr für die eigene Sicherheit zu tun, die ja aus dem Osten und dem Nahen Osten massiv bedroht ist. Ich finde: Das ist fair und richtig.
Also mehr Geld fürs Militär?
R: Wir dürfen nicht erst beim Militär anfangen. Wir müssen viel stärker in die Krisenverhinderung investieren. Es gilt zudem, entschiedener und entschlossener diplomatisch aufzutreten und zwar mit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik. Und am Ende müssen wir auch die Ausgaben für die Verteidigung und die Sicherheit erhöhen. Durch Trump werden die Europäer dies nun noch schneller kapieren müssen.
Aber Europa steckt in einer tiefen Krise.
R: Das stimmt. Diese Krise ist aus einem allgegenwärtigen, staatlichen Egoismus und Nationalismus entstanden. Eine solche Krankheit wird nur durch Druck von außen geheilt werden. Dieser Druck wird durch Präsident Trump größer werden.
Welche Folgen hätte es, wenn Trump den Atomdeal mit dem Iran aufkündigen würde?
R: Das könnte zu einem nuklearen Wettrüsten in der gesamten Region führen. Mit der Gefahr eines unkalkulierbaren militärischen Konfliktes. Ich hoffe, dass Trump dies in seiner neuen Rolle Präsident bewusst wird.