Die einsame Frau Merkel Ohne beste Freunde - Merkels Weltlage nach Trumps Sieg
Angela Merkels Reaktion auf Donald Trump kann als Kanzlerkandidatur verstanden werden. Es wäre ihre wohl größte Herausforderung. Denn sie hat nicht mehr viele Verbündete auf internationaler Ebene.
Berlin. Mit ihrer Erklärung zum Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl hat Angela Merkel allem Anschein nach auch über eine andere Personalie entschieden: ihre eigene. Sie stellte das Alleinstellungsmerkmal der deutsch-amerikanischen Partnerschaft heraus und bot dem für sie so schwierigen populistischen Politiker Zusammenarbeit an. Unter der Bedingung, dass er die bisher mit Washington gemeinsam hoch gehaltenen Werte einhält. Das kann als klare Ansage verstanden werden, dass sie die internationalen Ansprüche an Freiheit, Recht und Demokratie erfüllen und verteidigen will. Und zwar länger als bis zum Ende dieser Wahlperiode 2017.
Jedenfalls hört es sich nicht danach an, dass sie sich bald verabschieden will, wenn sie sagt: „Sie werden Ihr Amt in einer Zeit antreten, in der sich unsere Länder gemeinsam vielfältigen Herausforderungen gegenüber sehen.“ Es hört sich vielmehr danach an, dass sie diese Herausforderungen selber bestehen will.
Die Amerikaner hätten in einer freien und fairen Wahl entschieden, dass Trump die Verantwortung für die gewaltige wirtschaftliche Stärke, das militärische Potenzial und die kulturelle Prägekraft ihres Landes tragen soll, sagt Merkel. Eine Verantwortung, die beinahe überall auf der Welt zu spüren sei. In den nächsten vier Jahren, von Januar an.
Das wäre in etwa Merkels nächste Legislaturperiode, wenn sie im Herbst 2017 wieder antreten und gewinnen würde. Solange könnte sie dabei bleiben wollen, um mögliche Gefahren für die Wirtschaft, die Nato oder die gemeinsamen Werte der westlichen Welt abzuwehren. Hebelt Trump das EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP aus? Bleibt er nicht bündnistreu? Baut er tatsächlich Mauern und reißt neue Gräben zu Minderheiten auf?
Es würde wohl Merkels größte Herausforderung werden. Auch, wenn das schon oft gesagt wurde und es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kaum eine Vorstellung gab, dass alles noch schwieriger werden könnte. Merkel ist mit ihren bisher elf Amtsjahren dienstälteste europäische Regierungschefin. Doch ihr Kreis von vertrauten, verbündeten, verlässlichen Staats- und Regierungschefs ist zusammengeschmolzen.
Zu Frankreichs sozialistischem Staatschef François Hollande hat sie zunächst recht mühsam, dann aber verbindlich einen guten Draht gezogen. Die deutsch-französische Achse gilt weiterhin als Fundament der Europäischen Union und wurde von Merkel und Hollande auch weiter gestärkt - wie im Bemühen um eine Friedenslösung mit Russland im Ukraine-Konflikt. Doch Hollande ist unbeliebt und wird die Wahl im Frühjahr nächsten Jahres vermutlich verlieren. Es wird sogar ein Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen nicht ausgeschlossen.
Großbritannien mit seiner neuen Ministerpräsidentin Theresa May wird durch das Brexit-Referendum zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union nicht annähernd so stark an ihrer Seite stehen wie mit David Cameron. Spanien hat nach monatelanger Hängepartie den konservativen Mariano Rajoy zurück an der Spitze - aber nur als Chef einer Minderheitsregierung. Italien ist mit seinen dramatischen Schulden, den schrecklichen Erdbeben und als EU-Außengrenzenland extrem belastet. Ministerpräsident Matteo Renzi muss im Dezember ein wichtiges Verfassungsreferendum über eine Parlamentsreform bestehen. Verliert der Sozialdemokrat die Abstimmung, will er zurücktreten.
Viele osteuropäische Staaten hat Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik verprellt. Die Staaten, die vom Fall des Eisernen Vorhangs so profitiert haben, wollen einfach keine Menschen von außen aufnehmen, die ihre Hilfe brauchen. Hatte sie früher zu Polen und dessen damaligem Regierungschef Donald Tusk vielleicht sogar die beste innereuropäische Verbindung, ist das Verhältnis in der Zeit der jetzigen Amtschefin Beata Szydlo massiv abgekühlt.
Das Verhältnis zu Russland hat sich durch die Rückkehr von Wladimir Putin als Staatschef dramatisch verschlechtert. Die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim nimmt Merkel ihm besonders übel. Auch seine Rolle im syrischen Bürgerkrieg ist aus ihrer Sicht katastrophal. Die einst auf proeuropäischem Kurs befindliche Türkei gilt durch die Politik von Staatschef Recep Tayyip Erdogan gegen Oppositionelle und Medien als so gut wie verloren. Mit Mühe hält Merkel an dem Flüchtlingspakt fest.
Bleibt noch Merkels Verhältnis zu China. Das ist derzeit durch einen intensiven Austausch viel besser als früher. Aber es verkörpert nicht das, was Merkels Denken und Vorstellungen von Freiheit und Menschenrechten entspricht.
Und nun Trump. Vorbei die Freundschaft zu Barack Obama, den sie in der nächsten Woche zum letzten Mal als US-Präsidenten in Berlin empfangen wird. Auf Trump muss sich Merkel erst einstimmen. Ob sie je Vertrauen zu ihm haben wird, ist offen. Angesichts der Unsicherheit, welchen Weg Trump gehen wird, gilt Merkel derzeit als so ziemlich einzige krisenerprobte Politikerin, die noch für altbekannte und hochgeschätzte Werte steht.