Opposition will Aufklärung über Undercover-Polizisten
Berlin (dpa) - Linke und Grüne fordern mehr Aufklärung über einen verdeckten britischen Ermittler, der die linke Szene in Deutschland ausspionierte.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa, es sei beispielsweise unklar, ob der Mann von britischen oder auch von deutschen Stellen bezahlt worden sei. Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, Ulla Jelpke, sagte, in der Sitzung des Bundestags-Innenausschusses vom Mittwoch seien viele Fragen offen geblieben.
Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hatte in der vertraulichen Ausschusssitzung bestätigt, dass der Polizist Mark Kennedy beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) eingesetzt war. Ziercke betonte aber, dass die Länderpolizeien für ihn verantwortlich gewesen seien. Das BKA sei lediglich Vermittler gewesen. In Heiligendamm hatten mehrere zehntausend Menschen gegen den Gipfel demonstriert. Es kam damals zu teils heftigen Auseinandersetzungen linker Gruppen mit der Polizei.
Britischen Medien zufolge spionierte Kennedy jahrelang verdeckt militante Protestgruppen aus. Nach Angaben der Zeitung „Guardian“ lebte der Mann seit 2003 unter dem Namen Mark Stone und horchte britische Klimaaktivisten, aber auch linke Gruppen in anderen europäischen Ländern aus. Im Zuge einer Protestaktion von Aktivisten am britischen Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar im April 2009 flog er auf. Es steht die Frage im Raum, ob Kennedy als „Agent Provocateur“ handelte, also selbst Straftaten beging oder zu ihnen anstachelte.
Laut BKA-Chef Ziercke ist Kennedy zweimal strafrechtlich in Deutschland aufgefallen. In Heiligendamm beteiligte er sich an einer Straßenblockade - in Berlin war er in eine Brandstiftung an einem Müllcontainer involviert. Die Ermittlungen wurden aber eingestellt. „Der Spiegel“ berichtete kürzlich, dass Kennedy sexuelle Kontakte zu mehreren Frauen aus der linken Szene hatte. Ziercke betonte, dass dies zumindest gegen die deutschen Regeln für den Einsatz verdeckter Ermittler sei - „taktische Liebesbeziehungen“ seien verboten.
Für den Einsatz von Kennedy soll Mecklenburg-Vorpommern einen Vertrag mit britischen Stellen geschlossen haben. Baden-Württemberg habe eine ähnliche Vereinbarung mit den Briten getroffen - möglicherweise geschah dies im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel 2009 in Baden-Baden und Straßburg. Das Innenministerium in Stuttgart wollte sich dazu nicht äußern. Auch in Berlin hielt sich Kennedy auf - angeblich aber nicht, um über die dortige linke Szene zu berichten.
Das Bundesinnenministerium verwies bereits im Dezember darauf, dass der grenzüberschreitende Einsatz von verdeckten Ermittlern auf der Grundlage verschiedener Vereinbarungen innerhalb der EU möglich sei. Ein Ministeriumssprecher bekräftige am Donnerstag, man äußere sich grundsätzlich nicht konkret zur Arbeit verdeckter Ermittler.
Ströbele erinnerte daran, dass für deutsche verdeckte Ermittler strenge Regeln gelten. Möglicherweise habe man versucht, diese zu umgehen, indem ein Polizist aus Großbritannien eingesetzt worden sei. Die Regeln müssten europaweit angeglichen werden, forderte er. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte „Spiegel Online“: „Was den Einsatz von ausländischen V-Männern angeht, haben wir eine massive rechtliche Grauzone.“ Ein Mann wie Kennedy hätte nie in Deutschland eingesetzt werden dürfen. „Ein Polizeibeamter darf niemals Straftaten begehen.“
Jelpke bezeichnete es als „ungeheuerlich“, dass „legale und legitime“ Protestbewegungen über Jahre hinweg bespitzelt worden seien. Auch sei nach wie vor nicht ausreichend geklärt, welche Rolle Kennedy bei Straftaten gespielt habe.