Parteilinker Stöß zum neuen Berliner SPD-Chef gewählt
Berlin (dpa) - Denkzettel für Klaus Wowereit: Bei der Kampfabstimmung in der Berliner SPD siegt der Parteilinke Jan Stöß (38) über den bisherigen SPD-Chef Michael Müller (47).
Der Vertraute des Regierenden Bürgermeisters Wowereit unterlag dem Herausforderer Stöß auf dem Landesparteitag am Samstag mit 101 zu 123 Stimmen. Mit dem Linksrutsch der tief gespaltenen SPD dürfte für Wowereit das Regieren in der rot-schwarzen Koalition schwieriger werden.
Die mehrheitlich linke Hauptstadt-SPD sieht nach den geplatzten Koalitionsbemühungen mit den Grünen das Bündnis mit der CDU nur als notwendiges Übel. Stöß will nach eigenen Worten mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 das Profil der SPD klar gegen die CDU abgrenzen. CDU-Fraktionschef Florian Graf erklärte danach, er arbeite gut mit seinem Kollegen Raed Saleh zusammen, der dem linken SPD-Flügel zugerechnet wird. Daran ändere auch der Wechsel an der SPD-Spitze nichts.
Vor der Abstimmung hatte Wowereit noch eindringlich vor einer „Zerstörung“ der SPD als Regierungspartei gewarnt. Die SPD könne ihre Position als führende Regierungspartei nur halten, wenn Senat, Fraktion und Partei geschlossen agierten, forderte der 58-Jährige. „Liebe Genossen, macht Euch nichts vor, alle diese Gegenargumente dienen nur einem Zweck, die SPD zu zerstören“, betonte Wowereit.
Er bedauerte die Abwahl Müllers, der wesentlich zu den drei Wahlerfolgen der Berliner SPD in Folge beigetragen habe. „Müller ist einer der wichtigsten Protagonisten und bleibt es auch“, sagte Wowereit. Müller ist seit Dezember Senator für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr.
Stöß - Sprecher des linken Flügels in der SPD - löst nach acht Jahren Müller an der SPD-Spitze ab. Der promovierte Verwaltungsrichter zeigte sich nach seiner Wahl überzeugt, die tief gespaltene Partei wieder einen zu können. Er werde seinen Beitrag leisten, betonte Stöß. „Das Bild der Zerstrittenheit ist ein Zerrbild“.
Wowereits deutliche Worte an seine Adresse betrachte er nicht als Kampfansage, so Stöß. Dieser habe ja deutlich gemacht, dass er mit beiden Kandidaten leben könne. Zudem sei klar, dass die Partei keine Opposition gegen den Senat betreibe. „Die Partei muss aber darüber hinausdenken, was das Tagesgeschäft des Senats ist.“
Der Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg hatte zusammen mit Saleh ein flügelübergreifendes Bündnis für seine Wahl geschmiedet. Linke wie Rechte hatten Müller vorgeworfen, die SPD nur zusammen mit Wowereit geführt zu haben. Viele Funktionäre fühlten sich an den Rand gedrängt.
Die Koalition aus ganz Linken und Rechten in der SPD fiel jedoch gleich wieder auseinander. Bei der Wahl der Stellvertreter fiel der von Stöß nominierte Partei-Rechte Fritz Felgentreu im ersten Wahlgang knapp durch. Er verfehlte mit 110 Stimmen die erforderliche Mehrheit von 112 Stimmen. Mit dieser Mindestzahl wurde die bisherige Vize Iris Spranger von der rechten Gruppe „Mitte“ bestätigt. Felgentreu erhielt im zweiten Wahlgang 124 Stimmen.
Mit 147 Stimmen wurde auch Barbara Loth als Vize wiedergewählt. Neu in diesen Kreis schaffte es mit 114 Stimmen Philipp Steinberg, einer der Redenschreiber von SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel. Als Landeskassiererin wurde neu Ulrike Sommer, die Frau von DGB-Chef Michael Sommer, gewählt. Die von Müller nominierten Stellvertreter Birgit Monteiro, Marc Schulte und Ahmet Iyidirli fielen alle durch.