Piraten-Chef Schlömer rechnet mit Konkurrenz ab
Neumarkt (dpa) - Neue Frontfrau, Attacken gegen die Konkurrenz und ein breites Wahlprogramm: Die lange verunsicherten Piraten geben die Bundestagswahl noch nicht verloren.
Mit Forderungen nach einem Grundeinkommen für jedermann, Mindestlöhnen, mehr Datenschutz und Bürgerbeteiligung wollen sie im Herbst den Sprung ins Parlament schaffen.
Gespalten zeigten sich die Internet-Aktivisten bei ihrem Bundesparteitag im bayerischen Neumarkt in der Frage, ob sie künftig als erste politische Kraft verbindliche Parteitage auch im Netz durchführen wollen. Das Vorhaben scheiterte am Sonntag schließlich. In den Abstimmungen wurde die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt.
Piraten-Chef Bernd Schlömer rechnete am Sonntag mit den etablierten Parteien ab. „Wir bereiten diesem Treiben ein Ende. Piraten, auf in den Bundestag!“, rief er den Anhängern zu. Die CSU, die „bayerischen Horden“ der CDU, versinke in Vetternwirtschaft. Die FDP sei ein Lobbyverein, die SPD beim Datenschutz ein „netzpolitischer Geisterfahrer“. Die Grünen seien altbacken geworden, meinte Schlömer.
Hoffnungsträgerin ist die neue Geschäftsführerin Katharina Nocun. Die 26-jährige Studentin aus Niedersachsen löste Johannes Ponader ab, dem die Basis eine erhebliche Mitschuld für die Krise und den Absturz in Umfragen gab. Im aktuellen Emnid-Wahltrend der „Bild am Sonntag“ lagen die Piraten erneut bei vier Prozent, jetzt aber auf Augenhöhe mit der FDP, die einen Prozentpunkt verlor. Anfang des Jahres waren die Piraten bei der Niedersachsen-Wahl mit 2,1 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Schlömer kündigte an, bei einem Einzug in den Bundestag werde die Piratenpartei dort ohne Fraktionszwang abstimmen. „Die Piraten werden eine neue, andere Kultur einbringen.“ Im politischen Alltag halten sich Abgeordnete sonst im Parlament in der Regel an die Parteilinie. Schlömer will das aufbrechen: „Die anderen Parteien haben es sich gemütlich gemacht.“
Mit der Zahlung eines bedingungslosen, monatlichen Grundeinkommens will die Piratenpartei das Sozialsystem radikal umbauen. Die Höhe lässt sie offen. Wie Opposition und Gewerkschaften ist nun auch sie für einen gesetzlichen Mindestlohn. Scharf kritisiert die Partei die Euro-Rettungspolitik, bekennt sich aber zu Europa. In Neumarkt wurde eine Erklärung beschlossen, mit der sich die Piraten von der neuen euro-kritischen Partei AfD abgrenzen, die bei der Bundestagswahl im September zu einer Konkurrenz werden könnte.
Beim Datenschutz will die Partei die Rechte der Bürger stärken. Die „staatliche Überwachung“ soll zurückgedrängt werden. Meinungsäußerungen in „digitalen Netzwerken“ sollen grundgesetzlich geschützt sein. Bei der Energiewende sollen die Milliarden-Rabatte für die Industrie bei der Ökostromumlage gekappt werden.
Wie gewohnt gab es bei den Piraten auch Positionen zu Nischenthemen: Der Konsum bestimmter Drogen soll erlaubt werden, die Rechte von „Sexarbeitern und ihren Kunden“ gestärkt sowie die Bürger vor Industrielärm gewarnt werden. Das Abbrennen von Pyrotechnik in Fußballstadien finden die Piraten als Teil der Fankultur nachvollziehbar.