Prozess um Ruanda-Völkermord in Frankfurt
Frankfurt/Main (dpa) - Der Angeklagte wirkt ruhig und gelassen, als ihn die Bundesanwaltschaft mit dem schweren Vorwurf konfrontiert: Der 53-Jährige aus Ruanda soll für den Tod von mindestens 3730 seiner Landsleute mitverantwortlich sein.
Erstmals hat in Deutschland ein Prozess um den Völkermord im zentralafrikanischen Ruanda begonnen. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt muss sich seit Dienstag der Asylbewerber Onesphore R. verantworten. Der 53-Jährige Hutu soll im April 1994 als Bürgermeister einer Gemeinde im Norden des Landes mehrere Massaker an Angehörigen der Volksgruppe der Tutsi angeordnet oder koordiniert haben. Dabei seien mindestens 3730 Menschen ermordet worden, heißt es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft.
Onesphore R. war 2002 als Flüchtling nach Deutschland gekommen und hatte Asyl beantragt. Er sitzt in Untersuchungshaft. Völkermord- Anklagen können auch vor deutschen Gerichten verhandelt werden. Dies sei dem Grundsatz geschuldet, dass es für Beschuldigte „keine Ruhe- und Rückzugsräume, wo auch immer auf der Welt“ geben dürfe, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft nach der ersten Verhandlung.
Nach Abschuss des Flugzeuges des damaligen ruandischen Präsidenten, dem Hutu Juvenal Habyarimana, am 6. April 1994 sei es zu „flächendeckenden Tötungen“ gekommen, trug der Anklagevertreter im Gerichtssaal vor. Umgebracht worden seien vor allem Tutsi, aber auch Hutus, die sich Anweisungen ihrer Stammesangehörigen widersetzten. Bei dem rund drei Monaten dauernden Genozid waren laut Schätzungen bis zu eine Million Menschen ermordet worden.
Bei den Massakern seien „massenhaft nach Ruanda eingeführte Macheten“, aber auch Hacken für die Feldarbeit verwendet worden. Später seien auch Granaten und Maschinengewehre eingesetzt worden. So auch, als sich rund 1700 Tutsi in eine Kirche in dem Ort Kabarondo geflüchtet hatten. Diesen Einsatz soll laut Anklage Onesphore R. angeordnet haben.
Der Beschuldigte habe als vom Staatspräsidenten eingesetzter Bürgermeister des Ortes Muvumba seine „Amtsautorität ausgenutzt“. So habe er bereits Anfang April mindestens sechs Gewehre an Milizionäre ausgegeben und ihnen erklärt, Aufgabe der Waffen sei es, Tutsi zu töten. Nachdem in einer Kirche in Kiziguro rund 1200 Menschen vor den mordenden Soldaten, Milizionären und Gemeindepolizisten Schutz gesucht hatten, habe der Angeklagte sie aufgefordert, „mit ihrer Arbeit anzufangen“. Mindestens 1200 Tutsi seien erschossen und erschlagen worden.
Zudem soll Onesphore R. einmal einen Gemeindebeamten, einen Hutu, „zu sich zitiert“ haben, der Tutsi-Flüchtlinge untergebracht hatte. Er habe dem Mann gedroht, dessen Familie zu töten. „R. handelte im Bewusstsein seiner Machtstellung“ und habe geplant, die „Gruppe der Tutsi zu vernichten“, heißt es in der Klageschrift.
Der Angeklagte im grauen Anzug, dunklem Hemd und gestreifter Krawatte hört sich die Verlesung ruhig an. Nur seine Brille nimmt er immer wieder ab. Angaben zur Person und zur Sache verweigert er.
Seine Verteidigerin beantragte, die Identität des Angeklagten nachzuweisen. Es bestehe zumindest der „dringende Verdacht“, dass ein Massaker von einem anderen Bürgermeister oder einer anderen Autoritätsperson beaufsichtigt worden sei. Das Gericht vertagte sich auf den 25. Januar.