Gerichtsurteil Räumung von Wohnprojekt in Rigaer Straße war rechtswidrig

Berlin. Im seit Wochen eskalierenden Streit um das linke Berliner Wohnprojekt in der Rigaer Straße 94 hat der Verein hinter den Aktivisten einen Sieg vor Gericht errungen. Die Zivilkammer des Berliner Landgerichts bestätigte am Mittwoch dem klagenden Verein Freunde der Kadterschmiede vorläufig dessen Nutzungsrechte.

Foto: Maurizio Gambarini

Damit ist die mit einem massiven Polizeieinsatz durchgesetzte Teilräumung des Veranstaltungssaals Kadterschmiede und anderer Räume rechtswidrig.

Da die Anwälte der Hauseigentümergesellschaft Lafone Investments Limited nicht zur Verhandlung erschienen, handelt es sich um ein sogenanntes Versäumnisurteil. Dieses gibt dem anwesenden Kläger automatisch Recht, räumt aber den Rechtsvertretern der Lafone Investments ein Widerspruchsrecht ein. Bis zur endgültigen Klärung der Besitzverhältnisse muss Lafone Investments die Räume wieder freigeben.

In der mündlichen Verhandlung stellte Richterin Nicola Herbst fest, dass der Hauseigentümer vor dem Polizeieinsatz am 22. Juni weder einen Räumungstitel vorgelegt noch einen Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung mitgebracht hatte. Damit sei Räumung der Erdgeschossräume rechtlich nicht gedeckt gewesen, sagte Herbst.

Sie machte weiter deutlich, dass die in Großbritannien registrierte Firma in einem ordentlichen Verfahren sehr wohl große Chancen habe, ihr Eigentumsrecht durchzusetzen. Herbst äußerte die Bitte, „irgendeinen Weg zu finden, mit dem Eigentümer in Gespräch zu kommen, damit sich das nicht weiter aufheizt“. Der Verein ist nach eigenem Bekunden an einem ordentlichen Mietvertrag interessiert.

Die zahlreichen Sympathisanten aus der linken Szene, die sich im Saal des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg eingefunden hatten, quittierten das vorläufige Urteil mit lautem Jubel. „Wir haben gewonnen - ich hoffe, dass die Berliner Polizei das jetzt versteht“, sagte der Anwalt des Vereins, Lukas Theune. Derzeit werden die vom Eigentümer veranlassten Bauarbeiten im Erdgeschoss von zahlreichen Polizisten bewacht und durchgesetzt.

Theune kündigte an, das Nutzungsrecht seiner Mandanten mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers schnellstmöglich durchsetzen zu wollen. Bis zur gerichtlichen Klärung der eigentlichen Besitzrechte will der Verein möglichen Nutzungsüberlassungsvereinbarungen aus der Vergangenheit nachspüren. „Klar ist letztlich, der Eigentümer kann so etwas auch wieder kündigen“, sagte Theune. „Theoretisch hat er schon die Möglichkeit, das irgendwann auf rechtsstaatliche Art und Weise räumen zu lassen, denke ich.“

Das Urteil stellt dennoch auch eine Niederlage für Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) dar, der den Polizeieinsatz zur Durchsetzung der Eigentümerrechte offensiv verteidigt hatte. Seit dem Einsatz gab es in Berlin eine Welle der Gewalt, vornehmlich Sachbeschädigungen. Bei einer Solidaritätskundgebung zugunsten des Wohnprojekts im Stadtteil Friedrichshain gab es am Wochenende zudem massive Ausschreitungen, bei denen mehr als 120 Polizisten verletzt wurden. AFP