Regierung schiebt Arbeitsmarktreform und Flexi-Rente an

Berlin (dpa) - Nach monatelangem Stillstand will die Koalition Arbeitnehmer besser vor Lohndumping schützen und Alternativen zur Frühverrentung schaffen.

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Noch vor der Sommerpause sollen Entwürfe gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen und für flexiblere Übergänge in die Rente im Kabinett beschlossen werden.

Während der Kompromiss zum Arbeitsmarkt von Arbeitgebern wie Gewerkschaften begrüßt wurde, kritisierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Pläne zur Flexi-Rente scharf.

Erste Konzepte für die beiden Projekte lagen seit November vor. Doch vor allem der CSU gingen die Pläne zu Leiharbeit und Werkverträgen zu weit. Im Gegenzug kamen auch die vor allem von der Union gewünschten flexibleren Rentenübergänge nicht voran. Den Durchbruch brachte eine Spitzenrunde bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstagabend.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wertete die Einigung bei Werkverträgen und Leiharbeit am Mittwoch als historischen Schritt. „Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt eine gesetzliche Regelung, die ganz eindeutig die Rechte der Leiharbeitnehmer stärkt. Wir haben zum ersten Mal überhaupt Regeln, damit Werkverträge nicht missbraucht werden“, sagte sie in der ARD.

Zeitarbeitnehmer sollen künftig nach neun Monaten genauso wie die Stammbelegschaften bezahlt werden. Sie sollen längstens 18 Monate in demselben Betrieb arbeiten dürfen, ohne von diesem übernommen zu werden. Abweichungen per Tarifvertrag sind möglich - auch für nicht tarifgebundene Unternehmen der betreffenden Branche. Werkverträge sollen künftig besser von normalen Arbeitsverhältnissen abgegrenzt werden können.

„Damit ist ein erster wichtiger Schritt getan, um diese Form von Lohndumping in den Betrieben und Verwaltungen zu bremsen“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer begrüßte, dass die Koalition ursprüngliche Pläne zur gesetzlichen Bestimmung von Kriterien für Arbeitsverhältnisse beziehungsweise Werkverträge gekippt hat. „Das wäre ein Irrweg gewesen.“

Mit dem Entwurf zum Flexi-Renten-Gesetz, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt, soll „flexibles Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze und darüber hinaus“ gefördert werden. Der CDU-Sozialpolitiker Karl Schiewerling sagte: „Wir setzen ein Zeichen, dass sich längeres Arbeiten lohnt.“ Der DGB monierte: „Der arbeitende Rentner taugt nicht zum gesellschaftlichen Leitbild.“

Wer bereits mit 63 in Teilrente geht, soll mehr als bisher dazu verdienen können. Bisher drohen drastische Rentenkürzungen, wenn man mit 63 in Rente geht und mehr als 450 Euro im Monat hinzu verdient. Auch Arbeiten über das normale Rentenalter hinaus soll attraktiver werden, denn anders als heute sollen Rentenbeiträge dann die Rente auch steigern können. Zudem werden Unternehmen entlastet, wenn sie Menschen über das Rentenalter hinaus beschäftigten. Arbeitslosenbeiträge sollen entfallen. Laut Gesetzentwurf dürften der Bundesagentur für Arbeit in den kommenden Jahren dadurch bis zu 80 Millionen Euro pro Jahr entgehen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich „sehr froh“, dass Arbeitnehmerausbeutung durch Leiharbeit beendet werde. Auch die Flexi-Rente unterstützte er - wichtig sei, dass niemand gezwungen werde, länger zu arbeiten. Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich zufrieden mit den Koalitionsergebnissen. Nun strebt er eine parteiübergreifende Rentenreform in einem Gesamtpaket möglichst bis zur Bundestagswahl an. „Das wird noch eine sehr edle Aufgabe in den nächsten Monaten für alle Beteiligten“, sagte Seehofer.