Maas: Fußfessel kein Tabu Regierung will islamistischen Gefährdern Freiräume nehmen

Berlin (dpa) - Drei Wochen nach dem Berliner Anschlag steuert die Bundesregierung auf einen deutlich verschärften Umgang mit islamistischen Gefährdern zu. Justizminister Maas (SPD) will sicherstellen, dass potenzielle Gewalttäter auch ohne konkrete Straftat für längere Zeit inhaftiert werden können.

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Ebenfalls im Einklang mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) möchte Maas dafür sorgen, dass mutmaßliche Extremisten besser überwacht werden - etwa mit einer elektronischen Fußfessel.

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Auch de Maizière erwartet rasche Konsequenzen aus dem verheerenden Lastwagen-Anschlag mit zwölf Toten vom 19. Dezember. Er will darüber an diesem Dienstagnachmittag mit Maas beraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte kurz vor Weihnachten von beiden Ministerien eine rasche Überprüfung verlangt, „inwieweit staatliche Maßnahmen verändert werden müssen“. Der Terrorismus „mahnt uns, hier schnell zu handeln, hier richtig zu handeln, nicht nur in Ankündigungen steckenzubleiben, sondern auch wirklich Flagge zu zeigen“, sagte sie am Montag bei der Jahrestagung des Beamtenbundes dbb in Köln.

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Seit längerem liegt ein Gesetzentwurf de Maizières zu den ausreisepflichtigen Gefährdern auf dem Tisch. Maas schlug nun vor, islamistische Gefährder sollten in Abschiebehaft genommen werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten nicht kooperieren. Aus dieser Haft müssten die Gefährder dann in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden, sagte der Minister am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.

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Als Gefährder sehen die Sicherheitsbehörden Extremisten, denen sie einen Anschlag zutrauen. Laut Innenministerium haben 224 von derzeit 548 in Deutschland als Gefährder eingestuften Islamisten keinen deutschen Pass. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts hält sich rund die Hälfte aller erfassten Gefährder in Deutschland auf, über 80 von ihnen sind in Haft. Der Berliner Attentäter Anis Amri war als Gefährder eingestuft, konnte aber nicht abgeschoben werden, weil sein Heimatland Tunesien ihm keine Papiere ausstellte.

Die elektronische Fußfessel sei zwar kein Allheilmittel, könne die Arbeit aber sehr erleichtern, meinte Maas. „Wir müssen alles tun, um Gefährder so gut wie möglich im Blick zu haben, auch vor einer möglichen Verurteilung“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nannte die Fußfessel im Kampf gegen den Terror überlegenswert. GdP-Bundeschef Oliver Malchow sagte am Montag: „Die Fußfessel könnte geeignet sein, die Lebensführung des sogenannten Gefährders zu kontrollieren. Das setzt allerdings voraus, dass dem Betroffenen Auflagen gemacht werden, bestimmte Orte nicht zu verlassen beziehungsweise bestimmte Orte nicht aufzusuchen.“

Der Deutsche Anwaltverein sieht in einer Fußfessel für Gefährder indes nur Symbolpolitik. Verbandspräsident Ulrich Schellenberg sagte der dpa, Attentate seien auch mit Fußfessel ohne weiteres möglich, wie im vorigen Sommer ein Angriff auf einen Priester in Frankreich gezeigt habe. „Auch im Fall Amri hätte eine Fußfessel nur Auskunft darüber gegeben, dass er am Breitscheidplatz ist - die Tat wäre nicht verhindert worden.“

Merkel betonte in Köln, es gehe in der Debatte letztlich um „einen freiheitlichen Staat, einen offenen Staat“. Sie betonte: „Dabei muss uns leiten, dass wir Sicherheit als Staat garantieren wollen, alles dafür tun müssen, und dass wir Sicherheit in Freiheit garantieren wollen.“ De Maizière machte sich bei der dbb-Jahrestagung für ein europäisches Zusammenrücken stark. „Kann die terroristische Bedrohung (...) nicht eine neue Begründung, eine neue Erfahrung und eine neue Hoffnung auf Europa liefern? Ich glaube ja.“

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sollte die Regierung Sanktionen gegen Staaten erwägen, die ihre als Asylbewerber abgelehnten Staatsbürger nicht zurücknehmen. „Dabei dürfen auch wirtschaftliche Sanktionen nicht ausgeschlossen werden“, sagte Oppermann der Funke-Mediengruppe. Das Entwicklungsministerium warnte indes davor, Hilfen für Staaten an deren Kooperationsbereitschaft bei Abschiebungen zu koppeln - dies sei für eine demokratische Entwicklung kontraproduktiv.

Keine Fortschritte gibt es derweil bei der Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Auf diese Weise sollten die Asylverfahren für Marokkaner, Algerier und Tunesier verkürzt werden. Die Grünen blockieren das Vorhaben im Bundesrat. „Wir sind gegen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten, dafür für schnelle und faire Asylverfahren binnen weniger Tage“, bekräftigte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in der Zeitung „Die Welt“.

Die Kanzlerin dringt darauf, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Bundesregierung werde sich bemühen, „gemeinsame Lösungen zu finden“. Die Erfahrung zeige, dass Behörden wesentlich schneller entscheiden könnten, ob ein bestimmter Asylbewerber bleiben dürfe, wenn feststehe, ob sein Herkunftsland grundsätzlich sicher sei. Es sei wichtig, „im Respekt mit den Ländern zu verhandeln, in die zurückgeführt werden muss“, betonte Merkel.