Rentenversicherung: "Eine niedrige Rente bedeutet noch keine Altersarmut"
Rentenversicherungs-Präsident Rische verteidigt gesetzliche Alterssicherung. Doch sieht er auch vier gefährdete Gruppen.
Berlin. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, sieht vier Bevölkerungsgruppen, die von Altersarmut bedroht sind. Was sich dagegen tun lässt, erläuterte er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Herr Rische, nach einer aktuellen Umfrage würden sich 56 Prozent der Bundesbürger für eine sichere Rente entscheiden, wenn sie einen Wunsch frei hätten. Ist das Vertrauen in unser Rentensystem erschüttert?
Herbert Rische: Es gibt auch Untersuchungen, wonach 75 Prozent der Deutschen sagen, die sicherste und beste Form der Altersvorsorge ist die gesetzliche Rentenversicherung. Das zeigt, dass solche Umfragen relativ wenig Aussagekraft haben.
Jeder zweite Rentner bekommt weniger als 700 Euro Rente, also weniger als die Grundsicherung. Das rührt doch an der Akzeptanz der Rentenversicherung.
Rische: In dieser Rechnung sind auch alle Mini-Renten enthalten. Wer nur einige wenige Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, oder womöglich nur Kindererziehungszeiten vorweisen kann. Wenn jemand eine niedrige Rente hat, dann lässt das noch nicht auf Altersarmut schließen. Gerade Menschen mit niedriger Rente verfügen oft über ein deutlich höheres Haushaltseinkommen. Als Beamte zum Beispiel oder als berufsständisch Versicherte. Die Realität der Lebensverhältnisse Älterer bildet eine solche statistische Angabe also nur sehr bedingt ab.
Demnach wäre Altersarmut in Deutschland also kein Problem?
Rische: Falsch. Aber Pauschalisierungen helfen nicht weiter. Denn dann kann ich auch sagen, wir haben nur gut zwei Prozent aller Rentenbezieher, die auf zusätzliche Grundsicherung angewiesen sind. Da gibt es andere Bevölkerungsschichten, die viel stärker unter Armut leiden. Fest steht aber auch, dass einige Gruppen unter den jetzigen und künftigen Rentnern besonders gefährdet sind. Um die müssen wir uns kümmern.
Welche Gruppen meinen Sie damit konkret?
Rische: Zum einen handelt es sich um die Erwerbsminderungsrentner. Von ihnen beziehen nicht nur gut zwei, sondern mehr als zehn Prozent zusätzliche Grundsicherung vom Staat. Hier muss die neue Bundesregierung handeln. Eine weitere Gruppe sind die Niedriglöhner. Bei ihnen folgt die Altersarmut der Erwerbsarmut. Das hat aber mit der Rentenversicherung nichts zu tun. Dagegen könnten Mindestlöhne helfen, aber möglicherweise auch subventionierte Mindestbeiträge für die Rentenversicherung.
Nach aktuellem Stand kann der Rentenbeitrag 2014 deutlich sinken. Aber SPD und Union sperren sich dagegen, um zusätzliche Leistungen zu finanzieren. Eine gute Idee
Rische: Wenn man zusätzliche Leistungen einführt, deren Finanzierung von den Beitragszahlern zu erbringen sind, dann ist das nicht unbedingt eine Stabilisierung der Rentenversicherung, sondern eine weitere Belastung. Zumal es sich wie etwa bei der politisch angestrebten Ausweitung der Mütterrenten um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die folglich besser über Steuern zu finanzieren wäre, anstatt über Beiträge.