Rösler verspricht Neuanfang: „Wir sind wieder da!“
Rostock (dpa) - Nach der Dauerkrise schaltet die FDP mit dem neuen Vorsitzenden Philipp Rösler jetzt wieder auf Angriff - auch in der schwarz-gelben Koalition.
„Das Signal des Aufbruchs ist gesendet ... ab heute kann man mit der FDP wieder rechnen. Wir sind wieder da“, sagte Rösler am Sonntag zum Abschluss des dreitägigen Parteitags in Rostock, der das Ende der zehnjährigen Führungs-Ära von Guido Westerwelle vollzog.
Rösler hatte in seiner Antrittsrede die mehr als 600 Delegierten mit neuem Stil und neuer Tonlage begeistert. Er räumte Fehler der Liberalen ein und versprach: „Ab heute wird die FDP liefern.“ Die Freidemokraten wollten nicht mehr Ein-Thema-Steuer-Partei sein und sich mehr als bisher um die Alltagssorgen der Bürger kümmern. Einen radikalen Kursschwenk soll es allerdings nicht geben.
Der neue Sympathieträger der FDP kündigte eine härtere Gangart gegenüber dem Regierungspartner Union bei der Inneren Sicherheit an. Bei Steuersenkungen müsse die Koalition neue Spielräume nutzen. Bei der Energiewende sieht die FDP sich als Stimme der Vernunft. Auf ein Abschaltjahr für die Meiler legte sie sich nicht fest.
Im ARD-„Bericht aus Berlin“ sagte Rösler am Abend, er sei „ein höflicher Mensch. Ich hoffe, das auch in dieser Koalition auch bleiben zu können. Das ist jedenfalls mein Stil.“ Allerdings brauche die FDP, „um Glaubwürdigkeit zurückgewinnen zu können, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und eben Entschlossenheit in der Sache. Dazu bin ich bereit. Ich kenne den Unterschied zwischen Lautstärke und Stärke. Und ich will und werde Stärke zeigen.“
Den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM soll es nach Auffassung der FDP nur mit strengeren Regeln und einem Vetorecht des Bundestags geben. Eine Entscheidung über mehr Einfluss des Bundes gegenüber den Ländern in der Bildungspolitik wurde auf den Herbst verschoben.
Der neue Wohlfühl-Liberalismus soll den Markenkern der FDP - mehr Wettbewerb und starke Bürgerrechte - aber nicht verwässern. „Es gibt in der FDP keine Kursdebatte, wir werden sie uns auch nicht einreden lassen“, sagte Generalsekretär Christian Lindner am Sonntag. Lindner griff vor allem die Grünen scharf an. Der „Politikertypus Claudia Roth“ wolle alle Menschen mit erhobenem Zeigefinger wie Kinder bevormunden, sagte er mit Blick auf die Grünen-Chefin.
Der neue Bundeswirtschaftsminister Rösler war am Freitag mit 95 Prozent zum Nachfolger Westerwelles zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Dieser trat nach zehn Jahren nicht mehr an. Die von der Parteispitze gefürchtete offene Abrechnung mit ihm gab es nicht. Rösler erklärte die Debatte über eine Ablösung des Außenministers für beendet. In der ARD sagte Rösler über den Parteitag: „Alle Delegierten gehen hier mit einem hervorragenden Gefühl heraus. Es ist eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Die wollen wir verbreiten.“
In seiner einstündigen Rede setzte sich Rösler mit einer ruhigen Tonlage deutlich vom Stakkato seines Vorgängers Westerwelle ab. Die mehr als 600 Delegierten feierten ihn neun Minuten stehend mit Applaus. Sie erhoffen sich von dem 38-Jährigen nun, dass er die Regierungspartei aus dem Umfragetief herausführt. Bei der Landtagswahl an diesem Sonntag in Bremen droht sie, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Auch bundesweit liegt sie derzeit nur bei 5 Prozent. Bei der Wahl 2009 bekam die FDP 14,6 Prozent.
Mit Blick auf die bisherige Regierungsarbeit gab Rösler Fehler zu, zog insgesamt aber eine positive Bilanz. „Den Menschen in Deutschland geht es heute besser als zu Zeiten der großen Koalition.“ Auch der neue Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Wir haben vor der Wahl hohe Erwartungen geweckt und haben bisher nicht genügend geliefert.“
Rösler beanspruchte als schwarz-gelbe Erfolge sprudelnde Steuereinnahmen, weniger als drei Millionen Arbeitslose und starkes Wirtschaftswachstum. An die Union gewandt, sagte er: Die Entlastung der Steuerzahler sei ein „gemeinsames Versprechen“, für das es wegen der guten Konjunktur wieder mehr Spielraum gebe. „Wir sind dazu bereit. Wir warten jetzt nur auf unseren Koalitionspartner.“
Nach monatelangen Querelen setzte Rösler auf dem Parteitag seine Personalvorschläge für die neue Führung weitgehend durch. Trotz Rostocker Appelle zur Geschlossenheit wirkte sich der Streit bei den Neuwahlen der FDP-Spitze aber noch aus. Die bisherige Parteivize Cornelia Pieper und Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki wurden erst im zweiten Anlauf in den neuen Vorstand gewählt.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) plädierte dafür, dem Koalitionspartner nach seiner Neuaufstellung auch mehr Raum zu geben: „Es gibt keinen Grund, bei den Inhalten gegenüber der FDP jetzt einzuknicken. Aber es gibt allen Grund, ihr die Erfolge, die ihr zustehen, auch zu gönnen“, sagte er der „Leipziger Volkszeitung“ (Montag). Dann funktioniere eine Koalition auch gut.