Rote Ampel für Punktereform im Bundesrat
Berlin (dpa) - Die geplante Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei ist aufgeschoben. Der Bundesrat legte sich quer und rief am Freitag den Vermittlungsausschuss an. Damit liegt die Neuregelung vorerst auf Eis.
Die ursprünglichen Pläne: Der Punktekatalog soll einfacher und gerechter werden. Anstelle der bisherigen Skala von eins bis sieben Punkten soll es je nach Schwere des Vergehens nur noch einen, zwei oder drei Punkte geben. Das Vorhaben wackelt nun aber, rot-grün regierte Länder dringen auf Korrekturen. Ob es noch vor der Bundestagswahl zu einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern kommt, ist offen.
Die vorletzte Sitzung des Bundesrates vor der Sommerpause bot einen Vorgeschmack auf einige Konfliktlinien im Bundestagswahlkampf. Die rot-grüne Mehrheit in der Länderkammer startete erneut mehrere Initiativen, um die schwarze-gelbe Regierungskoalition bei strittigen Themen noch vor der Wahl unter Druck zu setzen. Und sie ließ mehrere Gesetze, die der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen hatte, in den Vermittlungsausschuss wandern. Es fielen aber auch zahlreiche Entscheidungen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- RENTE: Zur Jahresmitte werden die Renten angehoben: Die rund vier Millionen Ost-Rentner erhalten dann 3,29 Prozent mehr, die etwa 16 Millionen West-Ruheständler 0,25 Prozent mehr. Wer bislang eine Monatsrente von brutto 1200 Euro bekommt, darf im Osten mit knapp 40 Euro mehr rechnen, im Westen mit 3 Euro zusätzlich.
- VÄTERRECHTE: Leibliche Väter erhalten in Deutschland künftig einfacher ein Umgangsrecht mit ihrem Kind, auch wenn die Mutter den Nachwuchs gemeinsam mit einem anderen Mann großzieht. Sie bekommen außerdem ein Auskunftsrecht zu den Lebensverhältnissen des Kindes.
- SCHROTT-IMMOBILIEN: Käufer von Eigentumswohnungen sollen besser gegen kriminelle Machenschaften geschützt werden. Künftig können Notare, die Kaufverträge für Schrottimmobilien beurkunden, leichter als bisher ihres Amtes enthoben werden.
- E-GOVERNMENT: Bürger in Deutschland können ab Sommer 2014 einige Behördengänge auch elektronisch erledigen. Außerdem müssen Bundesbehörden ihre Akten digital führen und im Internet Informationen über den Bearbeitungsstand von Vorgängen anbieten.
- STEUERN: Steuerschlupflöcher für Firmen, Vermögende und Top-Verdiener werden geschlossen. Tricksereien bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer sowie bei Goldgeschäften werden unterbunden.
- WETTBEWERBSRECHT: Das Kartellrecht gilt künftig auch für gesetzliche Krankenkassen. So darf das Kartellamt künftig bei Fusionen von gesetzlichen Versicherern prüfen, ob sie ihre Marktmacht missbrauchen. Zugleich werden die Hürden für Pressefusionen gesenkt und die Sonderstellung von Presse-Großhändlern festgeschrieben.
- CONTERGANRENTEN: Für contergangeschädigte Menschen gibt es mehr Unterstützung. Die monatlichen Conterganrenten steigen rückwirkend ab 1. Januar 2013.
- INSOLVENZEN: Überschuldete Verbraucher und Firmengründer sollen schneller als bisher die Chance zum wirtschaftlichen Neuanfang bekommen. Betroffene können sich unter bestimmten Voraussetzungen künftig schon nach drei statt wie bisher nach sechs Jahren von ihren Restschulden befreien lassen.
- EU-BEITRITT KROATIENS: Der Weg für den EU-Beitritt Kroatiens ist von deutscher Seite aus frei. Der Bundesrat billigte formal den Beitrittsvertrag. Kroatien wird zum 1. Juli das 28. EU-Mitglied.
Weitere Themen:
- MIETEN: Mehrere Länder wollen schärfere Regelungen gegen überzogene Mieterhöhungen erreichen. Mieten gelten demnach als unangemessen, wenn sie bei knappem Angebot und Neuvermietung das Niveau um mehr als 20 Prozent übersteigen. Mit den Plänen muss sich nun der Bundestag befassen.
- EINBÜRGERUNG: Mehrere rot-grün regierte Länder werben dafür, doppelte Staatsbürgerschaften generell zuzulassen. Weitere Beratungen dazu stehen aus.
- ATOMMÜLLENDLAGER: Der Gesetzentwurf für die geplante Suche nach einem Atommüllendlager wurde erstmals beraten. Von SPD und Grünen geführte Länder forderten Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zu einem Rettungsversuch auf. Im Moment ist das geplante Gesetz zur Endlagersuche gefährdet, weil nicht genügend Länder zur Zwischenlagerung von 26 Castoren mit Atommüll bereit sind.