Schäuble weist Rösler zurecht, FDP keilt zurück
Berlin (dpa) - Auch nach dem Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel zum Euro-Rettungskurs kehrt in der zerstrittenen Regierungskoalition kein Burgfriede ein. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) wies seinen Kabinettskollegen für Wirtschaft, den FDP-Chef und Vizekanzler Rösler, in die Schranken.
Die FDP keilte zurück und verbat sich Maulkorb-Belehrungen.
In der Koalition liege die Zuständigkeit für den Euro bei Kanzlerin Merkel und ihm, stellte Schäuble in der „Bild am Sonntag“ klar. Zu den umstrittenen Spekulationen Röslers über eine mögliche Insolvenz Griechenlands sagte der Finanzminister: „In der Demokratie besteht Redefreiheit. Aber zuständig für die Finanzpolitik ist innerhalb der Bundesregierung der Finanzminister.“ Es gebe in dieser Frage zu Merkel „keinerlei Differenzen.“ Deshalb spreche die Regierung beim Thema Euro auch mit einer Stimme. „Dass viele andere auch reden, kann ich nicht ändern“, sagte der Finanzminister.
Die FDP wies die indirekte Aufforderung Schäubles, sich aus der Euro-Finanzpolitik herauszuhalten, brüsk zurück. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte am Samstag, Rösler setze bei der Suche nach Lösungen für die Euro-Schuldenkrise einen Auftrag des Bundestages aus dem Oktober 2010 um. „Das Parlament hat klare Regeln für die Gläubigerbeteiligung und Staateninsolvenz gefordert. Das Parlament wird auch Herr Schäuble ernst nehmen“, konterte Lindner.
Zuvor hatte der FDP-Generalsekretär im „Hamburger Abendblatt“ die Haltung seiner Partei erneut verteidigt. Es fördere Politikverdrossenheit, „wenn das Vertrauen der Märkte wichtiger genommen wird als das Vertrauen der Bürger“.
Im Schlussspurt des Berliner Wahlkampfs setzt die ums politische Überleben kämpfende FDP darauf, dass sie für ihren Euro-kritischen Kurs und ihr Eintreten „gegen den Ausverkauf deutscher Interessen“ Rückenwind bekommt und die Fünf-Prozent-Hürde doch noch schafft. Der Berliner FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer sagte der „Bild am Sonntag“: „Die FDP ist die einzige Partei, die beim Euro Klartext redet. Deshalb machen wir die Berlin-Wahl zur Euro-Wahl.“ Dies sei mit der Führung der Bundespartei abgestimmt.
Lindner sieht die FDP dabei nicht in Frontstellung zur Kanzlerin: Merkel habe „lediglich gesagt, jeder müsse bei seinen Äußerungen vorsichtig sein“ - und da müsse Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gemeint gewesen sein, denn dieser habe die Regierungsbeschlüsse zum Europäischen Stabilitätsmechanismus infrage gestellt.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach sich für ein Ende der schwarz-gelben Bundesregierung aus. „Wenn die Kanzlerin und ihr Finanzminister Schäuble der historischen Verantwortung für Deutschland und Europa gerecht werden wollen, dann können sie mit dieser Koalition nicht mehr weiterregieren“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntag). Gabriel bot Merkel zugleich vorübergehende Unterstützung für eine mögliche Minderheitsregierung an.
Der EU-Energiekommissar und frühere baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger attackierte CSU und FDP. Er sei „peinlich berührt, wie in den zwei kleineren Parteien der Koalition der Populismus sich ausbreitet“, sagte er nach Angaben der „Oldenburgischen Volkszeitung“ in Vechta. Wenn die Rettung Griechenlands nicht gelinge, „dann traut uns die Welt keine Lösungen mehr zu“.
Niedersachsen pocht bei Beratungen zu den Euro-Hilfen auf angemessene Beteiligung der Länder. Andernfalls will sich das Land für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stark machen. Dafür bedarf es einer Stimmen-Mehrheit in der Länderkammer. „Es kann nicht sein, dass der Bundesrat am Ende vor die Frage "Friss oder stirb!" gestellt wird“, sagte Vize-Landeschef und Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) der Nachrichtenagentur dpa.
FDP-Präsidiumsmitglied Jörg-Uwe Hahn warf Merkel Führungsschwäche vor. „Wir Liberalen haben in Berlin kein Führungsproblem mehr“, sagte Hessens Justizminister dem Magazin „Focus“. „Das Führungsproblem liegt bei der Union und heißt Angela Merkel.“ Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) kritisierte dagegen Rösler: „Ich frage mich: Wie viel weiter ist denn die FDP politisch von einer Insolvenz entfernt als Griechenland?“.