Schlamperei-Vorwürfe im Fall Barschel
Ehemaliger Chefermittler gerät unter Druck: Fremdes Haar aus dem Hotelbett des Toten ist verschwunden, Buch vom Tatort taucht in seinem privaten Regal auf.
Kiel. Keine Ruhe im Fall Barschel: Ein verschwundenes Haar im ungeklärten Todesfall des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten beschäftigt nach der Lübecker Staatsanwaltschaft jetzt auch deren Kollegen in Kiel. Uwe Barschel war am 11. Oktober 1987 unter mysteriösen Umständen in der Badewanne seines Zimmers in einem Genfer Luxus-Hotel tot aufgefunden worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Kieler Ermittler damit beauftragt, eine Strafanzeige von Barschels Witwe Freya wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt zu prüfen. Das teilte die Behörde am Freitag mit. Die Ermittlungen der Kieler Staatsanwaltschaft richteten sich jedoch nicht gegen die Lübecker Kollegen, sondern gegen „Unbekannt“.
In der Anzeige geht es um ein fremdes Haar aus dem letzten Hotelbett von Uwe Barschel, das bei der Staatsanwaltschaft Lübeck spurlos verschwunden ist. Das Haar war von der Schweizer Polizei an die Lübecker Behörde übergeben worden. Dieses Beweisstück wurde zuletzt 1998 gelistet, war damals in zwei Plastiktüten verpackt worden.
Die Plastiktüten sind zwar noch vorhanden, aber leer. Das hatte die Lübecker Staatsanwaltschaft vor drei Monaten festgestellt, als das Haar mit neuen Verfahren auf DNA-Spuren untersucht werden sollte.
Damit gerät nun der frühere Chefermittler Heinrich Wille selbst ins Visier der Justiz. Der damalige Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck soll nämlich ein offizielles Beweisstück aus Barschels Todessuite, ein Buch des Philosophen Sartre, in sein privates Bücherregal gestellt und auch sonst gegen die Vorschriften zur Lagerung von Asservaten verstoßen haben.
Nach Angaben mehrerer Parteien im Kieler Landtag hat Landesjustizminister Emil Schmalfuß (parteilos) die Abgeordneten des Innen- und Rechtsausschusses über die Unregelmäßigkeiten informiert, für die der Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille verantwortlich gewesen sein soll.
So hatte Wille während seiner Amtszeit offenbar veranlasst, Beweise nicht in der Asservatenkammer der Lübecker Staatsanwaltschaft verwahren zu lassen, sondern diese auf mehrere Räume verteilt. Nicht einmal entsprechende Entnahmeprotokolle existierten, heißt es.
Die Lübecker Staatsanwaltschaft hatte die die Ermittlungen zum Tod des CDU-Politikers 1998 abschließend eingestellt. Laut offiziellem Ermittlungsergebnis starb er durch Selbstmord. Das Ergebnis blieb aber umstritten, immer wieder wurde über Mord spekuliert. Auch Wille gehört zu den Vertretern der These, Barschel sei von einem professionellen Killerkommando getötet worden. Er hatte in einem Buch darüber spekuliert, die entsprechenden Spuren seien etwa von Geheimdiensten verwischt worden. hk/dpa