Schulden-Krise: Athen braucht noch mehr Geld
Am Mittwoch wollen die Regierungschefs eine Lösung präsentieren. Noch gibt es keine einheitliche Linie.
Brüssel. Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am frühen Samstagabend in Brüssel zu den Marathon-Verhandlungen zur Euro-Rettung eintrifft, sorgen die neuesten Hiobsbotschaften zur Wirtschaftslage in Griechenland bereits seit einigen Stunden für Aufruhr. Der pleitebedrohte Staat braucht nicht nur bis 2014 Notkredite, sondern wohl bis 2020.
Im schlimmsten Fall müssen Europa und der Internationale Währungsfonds IWF ein zweites Hilfspaket von 440 Milliarden Euro schnüren. Im günstigsten Fall — wenn die Banken freiwillig Griechenland 60 Prozent der Schulden erlassen — würden 109 Milliarden Euro reichen, damit der Mittelmeerstaat seine Zahlungsverpflichtungen bis 2020 erfüllen kann.
Das alles steht in der jüngsten „Schuldentragfähigkeitsanalyse“. Erstellt haben das zehnseitige Dokument Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds.
Eigentlich prangt ein „strikt vertraulich“ auf der zehnseitigen Beschreibung der Wirtschafts- und Schulden-Entwicklung Griechenlands. Doch in Europa haben viele Interesse daran, dass Journalisten das Papier erhalten. Damit alle schwarz auf weiß sehen, wie dramatisch die Lage ist. Und damit alle wissen, welche Mammutaufgabe die Finanzminister sowie die Staats- und Regierungschefs seit Freitag lösen müssen. Erst diesen Mittwoch sollen Entscheidungen fallen.
Die Schuldentragfähigkeitsanalyse haben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine europäischen Kollegen erst am Freitag erhalten, einige Tage später als geplant. Sie bildet die Basis, auf der die Politiker bis Sonntagnacht ein detailliertes Lösungspaket ausarbeiten wollten, um der europäischen Schuldenkrise endlich Herr zu werden.
Nicht nur um Griechenland müssen sich Schäuble, Merkel und Co. an diesem sonnigen Wochenende in Brüssel kümmern, sondern auch um Europas Bankenbranche. Banken liehen Griechenland viel Geld. Um einen drastischen Schuldenerlass zu verkraften, müssen die Geldinstitute ihre Risikopuffer aufpolstern. Unter den hunderten Journalisten, die im EU-Ratsgebäude — dort tagen die Politiker — auf Informationssuche sind, kursiert die Zahl 100 Milliarden Euro. So viel sollen Banken aufbringen, um ihre Kapitaldecke zu stärken. Offizielle Bestätigungen gibt es nicht. An diesem Wochenende dringt außergewöhnlich wenig von den Politiker-Gesprächen in den Pressesaal.
Am Sonntag um 16.40 Uhr treten immerhin Kanzlerin Merkel und Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy vor die Presse. Sie machen Druck auf die Banken. „Jeder muss seiner Verantwortung gerecht werden, um die Katastrophe zu vermeiden“, sagt Sarkozy. Merkel nickt zustimmend.
Unterdessen wurde bekannt, dass der deutsche Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen in die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) aufsteigt. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder beschlossen auf ihrem Gipfel am Sonntag in Brüssel, Asmussen in das EZB-Direktorium zu berufen. Dort ersetzt Asmussen den Deutschen Jürgen Stark.