Hintergrund: Alarmierender Bericht der „Troika“
Brüssel (dpa) - Die klare Botschaft der internationalen Kontrolleure steht gleich im ersten Satz: „Die Situation in Griechenland hat eine Wendung zum Schlimmeren genommen.“
So lautet die Bilanz der Experten der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit Blick auf die vergangenen drei Monate.
In ihrem Bericht zur „Schuldentragfähigkeit“ kommen die Prüfer zu dem Schluss, dass das pleitebedrohte Land ein noch größeres Rettungspaket benötigt. Griechenland sei bei einer ungünstigen Entwicklung erst in zehn Jahren wieder in der Lage, aus eigener Kraft seine Schulden zu bedienen - neun Jahre später als ursprünglich von den Euro-Rettern erhofft. Dies sind die Eckpunkte der „strikt vertraulichen“ Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt:
SCHULDENENTWICKLUNG: Für dieses Jahr nehmen die Experten eine Schuldenlast von 162 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung an. Diese werde bis zum Jahr 2013 auf 186 Prozent steigen, also fast doppelt so viel, wie das Land erwirtschaftet. Bis zum Jahr 2030 könnte die Gesamtschuld dann sinken auf 130 Prozent. Griechenland würde aber bis 2021 „nicht an den Markt zurückkehren“ können, um sich ohne fremde Hilfe frisches Geld zu beschaffen.
FINANZBEDARF: Das im Juli vereinbarte zweite Rettungspaket reicht nach Ansicht der Finanzinspekteure nicht aus. Es sieht 109 Milliarden Euro von Euro-Partnern und IWF vor. Zusätzlich sollten Banken und Versicherer mit bis zu 50 Milliarden Euro zur Rettung beitragen - über einen Forderungsverzicht von 21 Prozent bei Anleihen. Die „Troika“ rechnet vor, dass Athen deutlich mehr öffentliche Gelder benötigt. Den Bedarf beziffern die Experten auf 252 Milliarden Euro bis 2020. Im schlimmsten Fall könnte diese Summe auf 444 Milliarden Euro steigen. Das wäre der Fall, wenn sich die Rezession verschärft, die Privatisierung nicht vorankommt oder die Risikoaufschläge für griechische Schuldtitel steigen.
SCHULDENERLASS: Längst wird in der Euro-Zone über einen Schuldenschnitt („Haircut“) von 40 bis 60 Prozent bei privaten Anlegern wie Versicherern, Banken und Fonds debattiert. Diese müssten auf etwa die Hälfte ihres Geldes oder gar mehr verzichten. Nach Ansicht der „Troika“ würde ein solcher Schritt die öffentlichen Geldgeber in Europa und den IWF letztlich stark entlasten. Ein Schuldenschnitt von 50 Prozent - der inzwischen als wahrscheinlich gilt - würde die benötigten öffentlichen Mittel auf 114 Milliarden Euro reduzieren. Das wären nur fünf Milliarden Euro mehr als im Juli für das zweite Notfallpaket beschlossen. Bei einem „Haircut“ von 60 Prozent würde das bisherige Paket von 109 Milliarden Euro reichen.