Linke sucht bei Parteitag den Schulterschluss
Erfurt (dpa) - Nach monatelangen Personalquerelen sucht die Linke den Schulterschluss: Zum Auftakt des Erfurter Parteitags warb die Vorsitzende Gesine Lötzsch am Freitag für eine breite Zustimmung zum Parteiprogramm, das einen radikalen Systemwechsel zu einem demokratischen Sozialismus vorsieht.
„Wir haben uns hier in Erfurt zusammengefunden, um Geschichte zu schreiben“, sagte sie in einer kämpferischen Eröffnungsrede.
Vier Jahre nach ihrer Gründung will die Linke ihre politische Arbeit erstmals auf eine programmatische Grundlage stellen. Für die Abstimmung am Samstag haben Fraktionschef Gregor Gysi und der Parteivorsitzende Klaus Ernst eine 90-prozentige Zustimmung als Zielmarke ausgegeben. „Wir brauchen ein Programm, das uns eint, und kein Programm, das uns spaltet“, sagte die stellvertretende Parteichefin Sahra Wagenknecht. Sie appellierte an die Delegierten, in dem Entwurf formulierte Grundpositionen und Kompromisse nicht wieder infrage zu stellen.
Die Linke hatte sich in den vergangenen Monaten in Streitereien über den Kommunismus-Begriff, die Haltung zu Israel oder zum Mauerbau verstrickt. Angesichts mehrerer Wahlschlappen und abstürzender Umfragewerte waren die Parteichefs Lötzsch und Klaus Ernst massiv unter Druck geraten.
Der 39-seitige Programmentwurf sieht die Verstaatlichung von Banken und Energieunternehmen, ein Ende der Bundeswehreinsätze im Ausland und die Auflösung der Nato vor. Dem Parteitag lagen fast 1400 Änderungsanträge vor. Bis zum Freitagabend wurden aber nur fünf davon angenommen. Nach dem Parteitag müssen noch die rund 70 000 Mitglieder in einer Urabstimmung das Programm billigen.
Lötzsch gab als Motto für den Parteitag „Freiheit, Würde, Solidarität“ aus. Das Parteiprogramm sei eine „Kampfansage gegen das herrschende Establishment“. Die Linke wolle eine Welt, „in der nicht mehr das Geld regiert, sondern das Volk - je direkter, desto besser“, sagte Lötzsch. „Unser Erfurter Programm wird dieses Land verändern, da bin ich mir ganz sicher.“
Sowohl Lötzsch als auch Wagenknecht unterstützten die weltweite Protestbewegung gegen die Macht der Finanzmärkte. „Unsere Partei ist ein Teil einer großen solidarischen Bewegung, die sich nicht mehr länger von den Börsen der Welt und ihren Politikern in Washington, Paris, London und Berlin beherrschen lassen wollen“, sagte Lötzsch. Die Parteichefin widersprach Einschätzungen, die Linke nehme Minderheitenpositionen ein: „Wir stehen da, wo die Mehrheit steht.“ So sei die Linke gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Rente mit 67.
Scharfe Kritik an der Linken kam von der SPD. Parteichef Sigmar Gabriel warf dem Vorsitzenden der saarländischen Linksfraktion, Oskar Lafontaine, vor, die Linke koalitionsunfähig zu machen. Lafontaine stehe in der Partei für die „sektiererische Westlinke, die sich nur an der SPD abarbeitet und so die Gesamtpartei im Bund koalitionsuntauglich“ mache, sagte Gabriel der „Thüringer Allgemeinen“ (Samstag).