Schuldenfalle für säumige Kassenpatienten soll entschärft werden

Berlin (dpa) - Wer aus finanzieller Not seine Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr bezahlen kann, dem winkt Entlastung. Um die Betroffenen nicht noch tiefer in die Verschuldung zu treiben, sollen ihnen Wucherzinsen künftig erspart bleiben.

Dazu wird der Säumniszuschlag von derzeit fünf auf ein Prozent im Monat gesenkt. Diesen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) billigte das Bundeskabinett.

„Wucherzinsen von 60 Prozent im Jahr - das war einfach zu viel“, begründete Bahr die Neuregelung im ARD-„Morgenmagazin“. In der Kreide stehen schätzungsweise mehrere hunderttausend Versicherte. Genaue Zahlen der gesetzlichen Kassen dazu gibt es nicht, wohl aber über die Zahlungsrückstände: Die summieren sich auf fast 2,2 Milliarden Euro.

Bei den Privatversicherungen liegt die Zahl der säumigen Zahler laut PKV-Branchenverband bei 144 000. Sie schulden 745 Millionen Euro an Beiträgen. Für sie ist ein sogenannter Notlagentarif vorgesehen.

Das Gesetz bedarf nach Darstellung des Gesundheitsministeriums nicht der Zustimmung des Bundesrates. Das Problem der Nichtzahler bekam 2007 mit der Einführung der Versicherungspflicht für alle Bürger neue Dynamik. Vor allem viele kleine Selbstständige können ihre Beiträge nicht zahlen.

Ein Problem wird mit der Neuregelung aber nicht gelöst: Bereits bestehende Schulden bleiben und werden weiterhin mit fünf Prozent Säumniszuschlag monatlich belegt. Der gesenkte Zinssatz gilt nur für neu hinzukommende Beitragsrückstände, stellte Bahr klar. Für die Altschulden baue er auf eine Kulanzregelung der Krankenkassen. Auch in der Koalition werde über eine Lösung dieses Problems gesprochen.

„Das Ziel muss sein, dass jeder wieder in einen bezahlbaren Versicherungsschutz zurückkehrt - sowohl als Privatversicherter als auch als gesetzlich Krankenversicherter“, sagte der Minister. Einen Schuldenerlass schloss er aus: In der Solidargemeinschaft dürfe es keinen Anreiz geben, sich der Beitragspflicht zu entziehen.

Der Beschluss stieß bei den gesetzlichen Kassen grundsätzlich auf ein positives Echo: „Nun werden die Verhältnisse geradegerückt und wir sind froh, dass die gesetzliche Vorgabe zu solchen Extremzinsen korrigiert werden soll“, sagte Florian Lanz vom Kassen-Spitzenverband der dpa.

Der Ersatzkassenverband vdek kritisierte, der Kabinettsbeschluss löse das Problem der Beitragsrückstände keineswegs. Diese häuften sich Jahr für Jahr weiter an - zu Lasten der übrigen Beitragszahler. Die 2007 eingeführte „Versicherungspflicht für alle“ sei gesamtgesellschaftlich sinnvoll, die Beitragsausfälle müssten aber vom Staat ausgeglichen werden, forderte vdek-Chefin Ulrike Elsner.

Der Notlagentarif für säumige Privatversicherte - im Gespräch ist dafür laut Bahr ein Beitrag von 100 bis 150 Euro - sieht vor, dass die Versicherung nur noch für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft aufkommt. Bis zu 25 Prozent der Prämie sollen aus der angesparten Altersrückstellung des Versicherten bezahlt werden. Dies aber dürfte die Prämien der Betroffenen im Alter wiederum verteuern.

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis warf Bahr „Flickschusterei“ vor. Der Notlagentarif für Privatversicherte sei ein „Schonprogramm“ für die private Assekuranz. „Es ist völlig unklar, ob beispielsweise chronisch Kranke damit weiterhin gut versorgt sind“, gab Mattheis zu bedenken. Nur die Einführung der Bürgerversicherung könne auch für kleine Selbstständige den Beitrag erschwinglich halten.