SPD-Kanzlerkandidat Schulz setzt auf Sieg
Berlin. Der König ist tot, es lebe der König. Bei der SPD kennen sie das. Der Wechsel von Sigmar Gabriel zu Martin Schulz ist in der Partei gut angekommen.
Man verspürt endlich wieder etwas Aufwind. Mit riesigem Beifall wird der Ex-EU-Parlamentspräsident begrüßt, als er den Fraktionssitzungssaal unter der Reichstagskuppel am Mittwochmittag betritt. Die SPD-Abgeordneten stehen auf, einige machen Fotos. Schulz wird umarmt, er lacht und wirkt glücklich. Die Genossen sind regelrecht euphorisiert.
"Mit Schulz verbinden sich Verantwortungsbewusstsein, Leidenschaft und Augenmaß", sagt der Wirtschaftsexperte Hubertus Heil, der von ausschließlich positiven Reaktionen der Basis berichtet. "Unsere Gefühlslage jetzt lautet: entschlossen". Schulz sei "ein in Deutschland unverbrauchter Politiker", findet Steffen-Claudio Lemme aus Thüringen. "Er kann uns wieder auf 25 Prozent und mehr bringen". Vor allem, dass Schulz auf Sieg, nicht auf Platz setzt, kommt an. "Jetzt haben wir die Chance, Mehrheiten zu erringen", sagt der neue Kanzlerkandidat auch vor der Presse.
Dabei faltet er die Hände zeitweise wie Angela Merkel zur Raute. Nur hält er sie nicht so sehr nach unten wie die Kanzlerin. Einer Frage nach einer rot-rot-grünen Koalition weicht der 61jährige freilich aus: "Wir werden, in welcher Koalition auch immer, den Bundeskanzler stellen", sagt er. Im Mittelpunkt stehe das Programm der SPD. "Daran müssen sich unsere Koalitionspartner orientieren." Zwei Hauptthemen seines Wahlkampfes benennt der Merkel-Herausforderer immerhin schon. Zum einen gehe es um die "hart arbeitenden Menschen, die täglich zu kämpfen haben".
Und außerdem um die Verteidigung der Demokratie, "denn die Fliehkräfte der Krise setzt die Kräfte der Demokratiefeinde frei". Dabei ballt Schulz beide Fäuste. Ausführlich will er sich am Sonntag bei einer Parteiveranstaltung in der Berliner SPD-Zentrale äußern. Am 19. März dann soll Schulz auf einem Sonderparteitag offiziell zum neuen Parteichef gewählt werden. Der Noch-Vorsitzende Sigmar Gabriel geht mit einer Kaffeetasse in der Hand in den Fraktionssaal. "Sehr gut" habe er geschlafen, sagt er und grinst. Gabriel nutzt seine kurze Rede um zu begründen, warum er nun Außenminister wird. Voraussichtlich Freitag soll schon die Vereidigung sein, Frank-Walter Steinmeier, der künftige Bundespräsident, wird kurz vorher abdanken. Im Kabinett ist er am Mittwochmorgen von Angela Merkel schon mit einem Blumenstrauß verabschiedet worden.
Als Wirtschaftsminister habe er zu oft mit nationalen Themen zu tun und käme womöglich in Konflikt mit Schulz' Wahlkampf, erläutert Gabriel. Im "Stern" noch hatte er als Begründung angegeben, er wolle mehr Zeit für die Familie haben. "Außenminister und Familie, sehr witzig", sagt ein Abgeordneter und verdreht die Augen. Auch, dass Gabriel bis zuletzt auf Einhaltung des Zeitplans zur Verkündung der Kanzlerkandidatur pochte, ihn aber selbst mit einem Interview im "Stern" durchbrach, stößt sauer auf. "Viele hätten sich gewünscht, das nicht aus der Zeitung zu erfahren", sagt Fraktionschef Thomas Oppermann spitz zu Beginn der nichtöffentlichen Sitzung.
Öffentlich fügt Oppermann vor den Kameras giftig hinzu, Gabriel werde im Wahlkampf nun eine "dienende Rolle" einnehmen. Allerdings, dieser Ärger werde bald verpufft sein, meint Heil, meinen viele. Der gelernte Arzt und Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach erklärt jedem, der ihn dazu fragt, dass es "bei einer Operation immer auf das Ergebnis ankommt, und nicht auf ihren Verlauf". Von Narben redet Lauterbach nicht.