Meinung Kann Merkel Innenpolitik?

Nun fragt alle Welt: Kann der Europapolitiker und SPD-Herausforderer Martin Schulz auch Innenpolitik? Die Frage muss man aber genauso andersherum stellen: Kann Angela Merkel nach zwölf Jahren im Amt noch Innenpolitik?

Ein Kommentar von Hagen Strauss.

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Die Krisenkanzlerin ist auf internationalem Parkett eine Bank, gut vernetzt und anerkannt. Das ist Schulz auch. Zwischen all den wildgewordenen Staatenlenkern, die mit der Spitzhacke auf das Fundament Europas eindreschen, ist Merkel die Verlässliche. Das ist Schulz freilich auch.

Doch wann hat man zuletzt von der Kanzlerin ein klares Wort zu Steuern, zu den steigenden Sozialabgaben, zum Auseinanderdriften der Gesellschaft vernommen? Wann hat Merkel zuletzt innenpolitischen Reformeifer an den Tag gelegt und neue Richtungen vorgegeben?

Die jüngsten Regierungserklärungen der Kanzlerin waren geprägt von der Flüchtlingsfrage. Hier hat sie Haltung gezeigt gegen alle Anfeindungen. Aber darüber hinaus hat die Kanzlerin schon lange keine Vorstellung mehr davon entwickelt und vermittelt, was sie mit dem Land in den nächsten vier Jahren vorhat, damit sich einiges zum Besseren wendet.

Mit Martin Schulz als Herausforderer funktioniert das Aussitzen nicht mehr. Angela Merkel wird sich neu erfinden müssen. Die Selbstsicherheit, mit der die Union nun behauptet, sie sei die bessere Kandidatin, wirkt angesichts des Personalcoups der SPD aufgesetzt. Was ihre Wähler von der CDU-Chefin jetzt erwarten, ist mehr innenpolitische Klarheit, mehr Willen zur Veränderung, mehr Mut zur Kontroverse. Das sollte die Strategie der nächsten Monate sein. Gerade, weil viele Merkel überdrüssig geworden sind. Die Kanzlerin müsste offensiv die Auseinandersetzung mit jenen suchen, die die Republik weiter nach rechts driften lassen möchten. Und mit einem Herausforderer, der die soziale Frage überzeugend in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes stellen wird. Kann Merkel das alles? Zweifel sind erlaubt.