Causa Maaßen Die Lunte an die große Koalition ist gelegt

Berlin · Schwarz-Rot droht an der Personalie Maaßen zu zerbrechen. Der Konflikt ist nun vorerst vertagt.

Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD) kommen nach einem Treffen mit Kanzlerin Merkel (CDU) aus dem Bundeskanzleramt.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Um kurz nach zwölf Uhr am Donnerstag legt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit einem Satz die Lunte an die Große Koalition: „Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln.“ Zweimal das Wort „muss“, von den Forderungen kommt man eigentlich nicht mehr herunter.

Also rauschen um 15.30 Uhr die schwarzen Limousinen der Parteichefs Andrea Nahles (SPD) und Horst Seehofer (CSU) bei Angela Merkel (CDU) vor. Zum Krisentreffen im Kanzleramt. Das alles wegen der Zukunft des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten – und der Großen Koalition?

Die Bombe ist vorerst entschärft

Um 17:30 Uhr endet das Treffen der Drei, Regierungskreise verbreiten folgende Meldung: „Das Gespräch wird im gleichen Kreis am kommenden Dienstag um 16 Uhr fortgesetzt. Bis dahin haben die Gesprächspartner Stillschweigen vereinbart. Es war ein gutes, ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel, als Koalition weiterzuarbeiten. “ Die Bombe ist entschärft. Aber nur vorerst.

Am Morgen sieht alles noch friedlicher aus. Die SPD meckert zwar über Maaßen, aber für die Koalition verkraftbar. Seehofer erklärt im Bundestag, er sei zufrieden mit den Erläuterungen des Präsidenten im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Innenausschuss.

Dort hatte der Geheimdienstler seine umstrittenen Äußerungen, es habe womöglich keine rechtsextremistische Hetzjagd in Chemnitz gegeben und ein dazu kursierendes Video könne eine Falschinformation sein, relativiert. Und weil das so ist, betont der Innenminister, habe er weiterhin Vertrauen in Maaßen „als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz“. Basta.

Abgesagte Pressekonferenz, anberaumte Krisensitzung

Doch zu diesem Zeitpunkt macht bereits ein neuer Vorwurf gegen den 55-Jährigen die Runde – er soll vertrauliche Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 einige Wochen vor dessen Veröffentlichung an die AfD weitergegeben habe, so ein Medienbericht. Das Bundesamt dementiert, das Innenministerium wertet das nicht als Verfehlung. Doch für die SPD ist damit das Fass übergelaufen. Einer nach dem anderen aus der Parteispitze fordert den Rauswurf des Präsidenten.

Andrea Nahles sagt sicherheitshalber eine Pressekonferenz ab, das Krisentreffen im Kanzleramt wird anberaumt. In Berlin macht die Runde, die SPD sei bereit, wegen Maaßen die Koalition platzen zu lassen. Zu ungeliebt ist das Bündnis, die Genossen kommen politisch nicht auf die Beine, die Umfragen sind eine Katastrophe. Maaßen, die Exit-Strategie?

Ein weiteres Gerücht geht plötzlich um. Die Kanzlerin plane, in Abstimmung mit der CSU-Spitze in München nicht nur Maaßen, sondern auch ihren Innenminister zum Rücktritt zu bewegen. Am Abend werde es deswegen einen Koalitionsausschuss geben. Merkel wolle einen Befreiungsschlag in der Asyldebatte – und die CSU in München Seehofer als Parteichef loswerden, um am kommenden Samstag auf dem Parteitag gleich einen neuen zu wählen. Doch das Gerücht bleibt ein Gerücht. Es zeigt aber, wie blank die Nerven in der Koalition liegen.

Der Verfassungsschutz-Chef wirkt leicht angeschlagen

Der, um den es geht, sitzt derweil in Berlin mit jungen Abgeordneten der Unionsfraktion zum Meinungsaustausch zusammen. Maaßen habe leicht angeschlagen gewirkt, berichtet ein Teilnehmer.

Dem Vernehmen nach listet er den Abgeordneten auf, dass er in den letzten zwölf Monaten über 200 Gespräche geführt habe, fünf davon mit der AfD. Darunter auch eines mit AfD-Mann Stephan Brandner, der die neuen Vorwürfe gegen Maaßen ins Rollen gebracht hat.

Den habe er getroffen, weil er der Vorsitzende des Rechtsausschusses sei. „Nichts Geheimes“, wird Maaßen zitiert, habe er Brandner an Zahlen gegeben. Bei der Union herrscht großes Unverständnis, warum die SPD deshalb nun so vehement die Absetzung fordert.

Amtsmüde, sagt ein Vertrauter, sei Maaßen nicht. Aber die Lösung des Problems pfeifen am Abend die Spatzen von den Berliner Dächern. Dienstag will sich die Koalitionsspitze wieder treffen.

Bis dahin könnte Maaßen erklären, so ein Insider, er habe die Zeichen der Zeit erkannt und trete zurück, da ihm der politische Rückhalt fehle. Das könnte dann auch eine salomonische Lösung für den Innenminister sein, der Maaßen den Rücken gestärkt hatte. Und für die SPD auch.