Showdown bei den Grünen: Zwei Frauen, ein Posten
Claudia Roth und Renate Künast wollen beide Vizepräsidentin des Bundestages werden.
Berlin. Die Stellenbeschreibung für den Vizepräsidenten des Bundestages liest sich zunächst einmal unspektakulär: Er oder sie leitet überparteilich die Plenarsitzungen, und er oder sie repräsentiert das Parlament nach außen. Es gibt also viele Einladungen und viele Empfänge.
Um dieses Amt kämpfen nun zwei verdiente grüne Spitzenkräfte: die scheidende Vorsitzende Claudia Roth will den Job, genauso wie die ehemalige Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Roth (58) wird zum linken Parteiflügel gerechnet, Künast (57) zu den Realos.
Kurz vor der zweiten Sondierungsrunde mit der Union kommt es am Dienstag bei der Fraktionssitzung der Grünen im Reichstag zum nächsten personellen Showdown. Beide wollen oder können nach jahrelanger politischer Arbeit in vorderster Stellung nicht einfach so als Abgeordnete ins Glied zurück.
Grundsätzlich gilt: Das Amt des Vizepräsidenten ist weithin ohne politisches Gewicht. Was die Stellvertreterjobs von Norbert Lammert (CDU) so interessant macht, ist deren Aussteuer: Ein Vizepräsident bekommt in der Regel drei Amtszimmer. Ihm arbeiten Sekretärinnen und Referenten zu. Sein Gehalt beträgt eineinhalb Diäten — also rund 12 375 Euro. Hinzu kommt noch eine steuerfreie Kostenpauschale von 4000 Euro, von der jedoch 1000 Euro für den Dienstwagen abgeführt werden müssen.
Das ist zweifellos lukrativ. Wobei man sowohl Roth als auch Künast Unrecht tun würde, ihnen zu unterstellen, es gehe ihnen bloß um Ausstattung und Privilegien. Bei den Grünen heißt es, beide täten sich schwer damit anzuerkennen, dass ihre Zeit als Führungskräfte abgelaufen sei. Deswegen strebten sie einen neuen, exponierten Posten im Bundestag an.
Wer die besseren Chancen für die Nominierung hat, ist offen: Die Abgeordneten könnten einerseits Künast für ihre langjährige Arbeit als Ministerin und Vorsitzende danken wollen, andererseits aber Roth für ihre unbestrittenen Verdienste um die Partei. Wie der Präsident werden auch die Vizepräsidenten vom Bundestag bei seiner konstituierenden Sitzung gewählt. Jede im Parlament vertretene Partei kommt dabei in der Regel mit einem Kandidaten zum Zuge.
Genauso spannend wie der Ausgang der Abstimmung über die Nominierung für den Vize-Posten dürfte am Dienstag auch die zweite Sondierungsrunde zwischen CDU/CSU und Grünen werden, die um 17 Uhr beginnt. Eine lange Sitzung bis in die Nacht hinein wird erwartet, weil man beim ersten Gespräch inhaltlich nicht sehr weit gekommen ist.
Dass die Union am Montag bereits zum zweiten Mal mit der SPD zusammengetroffen ist und die Zeichen aus Sicht vieler Beobachter deutlicher auf große Koalition stehen, verunsichert die Grünen nicht. Parteichef Cem Özdemir sagte am Montag jedoch, er gehe davon aus, dass man nach dem Treffen „zu einer abschließenden Bewertung kommt“.
Soll heißen, dann wird man wissen, ob es aus Sicht der Grünen Sinn macht, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen oder nicht. „Sachlich und zielorientiert“ wolle man verhandeln, betonte Özdemir. Es werde um die ökologische und gesellschaftliche Modernisierung des Landes gehen.