Politische Sommerreise Christian Lindner auf den Spuren der Profis
Berlin · Bei seiner Sommerreise besucht FDP-Chef Lindner Start-ups – er will damit etwas zurechtrücken. Und möglichst lässig wirken.
Das ist ganz nach seinem Geschmack. Es geht um Innovationen, Gründergeist und Risikobereitschaft, quasi um die liberale DNA, seit er die FDP führt. Christian Lindner trägt ein weißes Hemd, eine dunkle Chino, dazu schwarze Turnschuhe. Was man halt so anzieht, wenn man als Berliner Spitzenpolitiker auf junge Startup-Unternehmer trifft. Der FDP-Chef besucht auf seiner Sommerreise die Profis. Er will so lässig sein wie sie.
„Die Enterprise, sehr gut“, ruft Lindner hocherfreut. „Sternenzerstörer auch? Und da ist der Todesstern“, grinst er, als er in die Mitte des Raumes zeigt. Dort sitzen die Entwickler des Potsdamer Startups „Motiontag“, sie haben ihre Räume nach Raumschiffen und anderen Flugobjekten benannt. Das ist zumindest kreativer als das Plastikeinhorn am Eingang. Lindner hockt sich hinter eine Tischtennisplatte, als ihm und seinem Tross erklärt wird, was die 26 Programmierer so treiben. „Wir haben die Vision, das Verkehrssystem zu verbessern und nachhaltig zu gestalten“, erklärt Producer Robert Schönduwe. Von A nach B, alles effizient organisiert und verfolgbar.
Die Vision ist schon längst Realität; es ist die schöne, neue Welt in einer App, die auch Lindner gefällt. Es ist seine Welt. Er spricht wie einer aus der Szene. „Vorsicht bei der Abgabe von Prozenten“, rät er zum Schluss noch den kreativen Köpfen, als es ums Kapital geht. Lindner weiß, wovon er redet. Nicht nur, weil der 40-Jährige in jungen Jahren selbst mal Gründer war. Ohne Erfolg jedoch.
Seit der Europawahl mit mageren 5,4 Prozent geht es in den Umfragen für die FDP nicht wirklich wieder bergauf. Die Partei tritt auf der Stelle. Das hat Lindner bereits Kritik aus den eigenen Reihen eingebracht. Eine neue Erfahrung für das Aushängeschild der FDP. Die Jungen Liberalen haben ihm vorgeworfen, mit dem Thema Klimaschutz falsch umgegangen zu sein. Dem Anspruch einer „empathischen Zukunftspartei“ sei man nicht gerecht geworden. Lindner selbst hat einen Fehler gemacht, einen schweren sogar. Seine Bemerkung an die Jugendlichen der „Fridays for Future“-Bewegung, den Klimaschutz doch den Profis zu überlassen, hängt an seinem Hals wie ein Mühlstein. Trotz aller Rechtfertigungsversuche. Die Sommerreise zu Start-ups in Brandenburg und in Sachsen wirkt da wie ein nachträglicher Erklärungsversuch. Per Bus. „Dem klimafreundlichsten Verkehrsmittel‘“, wie Lindner behauptet.
Es sind in der Tat die Herausforderungen der Zeit, die der FDP-Chef glaubt, mit digitalen Innovationen und neuem Erfindergeist besser bewältigen zu können als andere. Darum, so beteuerte er immer wieder, sei es ihm auch bei seinem vermaledeiten Profi-Satz auf Twitter gegangen. „Motiontag“ kümmert sich um nachhaltigen Verkehr in immer enger werdenden Städten, ein echtes Problem.
Beim Startup „Green City Solutions“ streichelt der Liberale Frauenhaar- und Grünstengelmoos. Die jungen Unternehmer entwickeln in einer alten NVA-Kaserne künstliche „City Trees“ – ein komplexes Luftfiltersystem mit sich regenerierenden Moosplatten, vor dem man sitzen kann. „Moos kann Feinstaub aus der Luft filtern“, erläutert Felix Mann. „Frische Luft für alle“ an ausgewählten Orten in den Städten sei die Idee. „Verstanden. Frisch und grün“, so Lindner.
Grün wollen inzwischen alle Parteien sein. Und frisch auch. Selbst die CSU und ihr Chef Markus Söder. Weil die grünen Themen Hochkonjunktur haben. Die FDP bildet da keine Ausnahme. Man muss dem Liberalen freilich lassen, dass er seinen Ansatz konsequenter als manch anderer verfolgt. Er will mit grüner Technologie den „Horizont für neues Denken“ öffnen, sagt er. Es gebe beim Klimaschutz auch andere Wege als „Verbote und Verzicht“. Die von Lindners Profis.