Gutachten vorgestellt Spätes Eingreifen begünstigte Kölner Silvester-Exzesse

Düsseldorf (dpa) - Die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht sind nach Ansicht eines Gutachters durch das späte Eingreifen der Polizei begünstigt worden.

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Die Täter hätten den Bereich um den Kölner Dom stundenlang als rechtsfreien Raum erlebt, schreibt der Rechtspsychologe Prof. Rudolf Egg in einem Gutachten an den Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags.

Die mehreren Hundert Männer mutmaßlich nordafrikanisch-arabischer Herkunft seien wahrscheinlich durch Mundpropaganda oder soziale Netzwerke lose verabredet oder eingeladen gewesen, den Jahreswechsel im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs zu verbringen. Die Straftaten seien dann zunächst von einzelnen kleineren Gruppen begangen worden, wie sie aus der Trickdieb-Szene bekannt seien.

Nachdem die übrige Menge erlebt habe, dass in der Dunkelheit und Anonymität gefahrlos Straftaten begangen werden konnten, habe dies wohl einen Sogeffekt ausgelöst und die Hemmungen bei den Übrigen herabgesetzt.

Egg hatte 1022 Strafanzeigen von Opfern der Silvesternacht ausgewertet. Mehrere Frauen hätten sich dabei ausdrücklich über die Untätigkeit der anwesenden Polizisten beklagt. Ein syrischer Arzt habe als Zeuge ausgesagt, dass er von einem vermutlich aus Libyen stammenden Mann aufgefordert worden sei, mitzumachen und die „Ungläubigen“ zu bestehlen.

Der Sachverständige Egg stufte die massenhaften sexuellen Übergriffe der Silvesternacht als neuartiges Phänomen in der Geschichte der Bundesrepublik ein. Mehrere Medien hatten zuvor aus dem Gutachten zitiert.

Ein möglichst rasches Eingreifen wäre erforderlich gewesen, um die Flut von Taten einzudämmen. Die Räumung des Platzes kurz vor Mitternacht sei vermutlich deutlich zu spät erfolgt und habe keine nennenswerte abschreckende Wirkung mehr entfaltet. Ein großer Teil auch der Sexualtaten habe sich bereits zwischen 20.30 und 23.35 Uhr ereignet.

In der Nacht waren Frauen massenhaft drangsaliert, ausgeraubt und sexuell belästigt worden. Danach gingen weit mehr als 1000 Anzeigen ein. Viele Beschuldigte kommen aus Algerien und Marokko. Die juristische Aufarbeitung der Vorkommnisse gilt wegen der chaotischen Zustände in der Nacht als schwierig. Oft konnten die Opfer die Täter nicht identifizieren.

Dass sich die Männergruppe am Hauptbahnhof vorher über soziale Netzwerke ausgetauscht hatte, hatte Kölns neuer Polizeipräsident Jürgen Mathies schon im Februar in einem dpa-Interview als Annahme formuliert: „Einzelne haben da wohl gesagt: „Wir fahren nach Köln, da soll große Party sein.“ Hinweise auf Strukturen organisierter Kriminalität gebe es aber nicht.