Spahns Meisterprüfung Wie der Gesundheitsminister die Corona-Krise managt

Berlin · Die Corona-Fallzahlen klingen immer bedrohlicher. Umso stärker rückt das politische Krisenmanagement in den Vordergrund. Dafür steht Jens Spahn wie kein anderes Regierungsmitglied.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnte sich mit seinem Management der Corona-Krise für höhere Aufgaben qualifizieren. Sogar die Opposition findet lobende Worte.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Corona-Fallzahlen klingen immer bedrohlicher. Umso stärker rückt das politische Krisenmanagement in den Vordergrund. Dafür steht Jens Spahn wie kein anderes Regierungsmitglied. Das markante Gesicht mit der hohen Stirn ist derzeit praktisch auf allen Kanälen präsent. Am Dienstag druckte „Bild“ einen umfänglichen Gastkommentar des CDU-Manns. Und an diesem Mittwoch muss Spahn im Bundestag die Fragen von Abgeordneten beantworten. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Fast-Zwei-Meter-Mann das Virus zum Thema einer Regierungserklärung gemacht. Hinter den Kulissen ist Spahns Terminplan noch deutlich enger getaktet. Tägliche Krisenlagen, Gespräche mit Experten, Telefonate mit den Amtskollegen in Italien oder Frankreich. Deutlich vor Mitternacht geht da selten ein Arbeitstag zu Ende.

Spahn selbst kann den Erreger nicht eindämmen, wohl aber die Verunsicherung und die Angst, die sich bei vielen Bürgern mit Corona verbindet. Das versucht er. Ruhig im Ton, unaufgeregt in der Sache und einfühlsam in persönliche Lebenslagen – diese Wesensmerkmale sind jetzt Spahns Markenzeichen. Ein erstaunlicher Befund, wenn man bedenkt, dass dem Münsterländer noch vor nicht allzu langer Zeit ganz andere Eigenschaften nachgesagt wurden: machtgierig, Merkel-Rebell und immer für politische Querschläge gut.

Die Wandlung begann vor fast genau zwei Jahren mit der Übernahme des Ministerjobs. Spahn wurde zum Kümmerer, machte die Pflege zum Mega-Thema, ließ Gesetze wie am Fließband produzieren und scheute nicht die Auseinandersetzung mit Kassen- und Ärzte-Lobbyisten.

Auch beim ersten Kandidatenrennen für den Parteivorsitz im Herbst 2018 gewann der mittlerweile 39 jährige Christdemokrat politisch an Statur. Gegen die Konkurrenten Annegret-Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz hatte Spahn zwar keine Chance, doch wusste er sich geschickt als Mann der Zukunft zu inszenieren. Als ein Hoffnungsträger, der auf höhere Weihen schon wegen seines jungspundhaften Alters noch warten kann.

Lob von der Opposition, gute Umfragewerte und hohes Risiko

In der aktuellen Krisenlage ist Spahn mit dieser Marschrichtung ebenfalls gut gefahren. Weil er sich aus der allerersten Bewerber-Reihe zurückgenommen und mit NRW-Regierungschef Armin Laschet ein „Team“ gebildet hat, kann jetzt auch niemand behaupten, Spahn wolle sich mit seiner medialen Dauerpräsenz in Sachen Corona nur einen Vorteil im Kampf um den CDU-Chefsessel verschaffen

Da ist es letztlich auch kein Wunder, wenn sogar die Opposition lobende Worte für Spahns Krisenpolitik findet. Er begrüße es, „mit welcher Klarheit, Besonnenheit und Transparenz die Bundesregierung mit der Lage umgeht“, sagt FDP-Chef Chef Christian Lindner. „Sehr besonnen“, nennt auch die Linkfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali das Wirken des Ministers. Bei den Bürgern kommt Spahn ebenfalls gut an. Nach einer aktuellen Umfrage sind mehr als zwei Drittel mit seiner Arbeit zufrieden.

Die Stimmung kann allerdings schnell kippen, sollte die rasante Ausbreitung der Atemwegserkrankung das deutsche Gesundheitswesen überfordern. Der Höhepunkt der Epidemie sei noch nicht erreicht, räumt auch Spahn immer wieder ein. Von der Bundesregierung wurde deshalb schon der Export von Atemschutzmasken und anderer Schutzausrüstung stark eingeschränkt.

Zudem setzte Spahn die festen Personaluntergrenzen für bestimmte Stationen in Kliniken außer Kraft. Damit sollen die ohnehin häufig unterbesetzten Einrichtungen bei der Personalplanung flexibler auf das Virus reagieren. Aber viel mehr kann Spahn wohl nicht tun. Denn beim Katastrophen- und Seuchenschutz hat der Bund nur begrenzte Befugnisse.

Für Spahn ist die Corona-Krise jetzt seine Meisterprüfung. Und er ist festen Willens, aus ihr als Gewinner hervor zu gehen. „Wir werden diese Situation bewältigen“, schrieb der Minister in seinem „Bild“-Gastbeitrag. Sollte ihm das wirklich gelingen, könnte er sich im Herbst womöglich sogar Hoffnungen auf die Kanzlerkandidatur der Union machen.