SPD-Spitze will Linksruck verhindern

Berlin (dpa) - Zwei Jahre vor der Bundestagswahl will die SPD auf einem am Sonntag beginnenden Parteitag die Weichen für den erhofften Machtwechsel 2013 stellen.

Nach dem Willen der Spitze soll nach der programmatischen Erneuerung der Partei nach dem Wahldebakel von 2009 die Regierungsfähigkeit unter Beweis gestellt werden. Einen Linksruck will die gesamte Führung deshalb unbedingt verhindern. Trotzdem werden bie dem Treffen in Berlin heftige Auseinandersetzungen mit dem linken Flügel über Steuern und die Rente erwartet.

Dominiert werden dürfte der dreitägige Kongress auch von der Frage nach dem richtigen Spitzenbewerber für 2013. Alle drei möglichen Kandidaten - Parteichef Sigmar Gabriel, der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück - werden vor den 480 Delegierten sowie über 6000 erwarteten Gästen sprechen. Insgesamt liegen über 900 Anträge vor.

Die SPD-Führungsgremien bereiteten am Samstag den Parteitag vor. Auf einer Konferenz mit internationalen Gästen in der SPD-Zentrale wurde über sozialdemokratische Antworten auf die Finanz- und Schuldenkrise diskutiert.

Schwerpunkte der geplanten Beschlüsse des Parteitags sind stärkere Belastungen für Vielverdiener und Vermögende, Entlastungen für ärmere Familien mit Kindern, ein Rechtsanspruch für Ganztagsangebote in Schulen und Kitas und deutliche Mehrausgaben für Bildung. Die Führung schlägt zur Finanzierung solcher Projekte die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent sowie die Wiedereinführung der Vermögensteuer vor. Beides war schon auf dem Parteitag 2009 in Dresden beschlossen worden. Neu dazu kommen soll eine Erhöhung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge von 25 auf 32 Prozent.

Dies reicht der Parteilinken aber nicht aus. Sie fordert zusätzlich zum höheren Spitzensteuersatz eine Reichensteuer von drei Prozent. Weiter wollen sie für die Zukunft das Rentenniveau auf dem heutigen Stand festschreiben und bereits beschlossene Kürzungen rückgängig machen. Im Falle einer Annahme dieser Maximalforderungen gilt es als unwahrscheinlich, dass Steinmeier und Steinbrück noch als Kanzlerkandidaten zur Verfügung stehen würden.

Gabriel sprach sich im SWR erneut gegen eine zusätzliche Reichensteuer aus. In der Steuerpolitik seien „Maß und Mitte“ notwendig, weil sonst auch Normalverdiener sich irgendwann nicht mehr sicher seien, dass die SPD nicht auch ihnen ans Portemonnaie wolle.

Steinmeier warnte in der „Frankfurter Rundschau“: „Das Finanzkonzept ist solide durchgerechnet. Ich kann nicht empfehlen, aus lauter Daffke mal eben noch was draufzulegen.“ Mit den Rentenplänen der Linken drohe ein Beitragsanstieg auf 25 Prozent. „Parteitagsbeschlüsse müssen auch für späteres Regierungshandeln taugen“, mahnte er.

Steinbrück argumentierte in der „Bild am Sonntag“: „Die SPD muss sich überlegen, ob sie mit einem ausgewogenen Steuerkonzept Wahlen gewinnen will oder ob sie sich in Steuerdebatten lieber mit sich selbst beschäftigt.“

Nach Angaben von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist die Spitze entschlossen, den Streit offen auszufechten und keine Kompromisse einzugehen. Im Sender RBB-Inforadio sagte Nahles, sie erwarte eine „klare Entscheidung für das eine oder das andere“.

Baden-Württembergs Vize-Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) sprach sich für einen Mitgliederentscheid über den Kanzlerkandidaten aus. Die französischen Sozialisten hätten damit gute Erfahrungen gemacht, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Schmid, der Steinbrück favorisiert, kann sich auch vorstellen, Nicht-Mitglieder zu beteiligen.

Zum Auftakt spricht am Sonntag Helmut Schmidt zu Europa. Es ist das erste Mal seit 1998, dass der fast 94-jährige Altkanzler wieder auf einem SPD-Parteitag spricht. Anschließend redet Steinmeier zur Euro-Krise. Am ersten Tag soll zudem eine Parteireform mit einer Straffung der Führungsgremien und die Forderung nach Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene beschlossen werden.

Im Mittelpunkt des zweiten Tages steht die Rede Gabriels sowie die Neuwahl der gesamten Spitze. Am Dienstag wird Steinbrück die Debatte über Finanzen und Steuern eröffnen.