SPD will stabiles Rentenniveau - mit oder ohne Gesetzeseingriff
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Das Rentenniveau soll stabil bleiben - da sind sich die SPD in Berlin und in NRW einig. Die NRW-SPD will das ohne Eingriff in die Rentenformel erreichen - mit Arbeitsmarktreformen.
Die Berliner SPD dagegen will das derzeitige Niveau gesetzlich garantieren.
Im Rentenstreit der SPD zeichnet sich ein Kompromiss ab. Der mitgliederstärkste Landesverband Nordrhein-Westfalen will das Rentenniveau bis 2020 möglichst hoch halten, ohne aber in die Rentenformel einzugreifen. Ähnliche Pläne will nach Informationen von „Spiegel online“ der Koordinator der SPD-Linken, Ralf Stegner, an diesem Montag in eine SPD-Arbeitsgruppe zum Thema Rente einbringen. Am 24. November will die Bundes-SPD bei einem Rentenkonvent ihre Position festlegen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte die Beschlüsse der Genossen von Rhein und Ruhr: „Mit der Positionierung Nordrhein-Westfalens sind wir auf einem guten Weg“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). „Aber wir müssen prüfen, ob wir guten Gewissens versprechen können, dass die Kosten dafür verantwortbar sind.“
Die mehrheitlich linke Berliner SPD geht beim Rententhema indes auf Konfrontationskurs zur Bundes-SPD und will das Rentenniveau dauerhaft bei den jetzt 50,4 Prozent festschreiben. Dazu würden Änderungen am Gesetz nötig. Das Rentenniveau ist der Prozentsatz vom aktuellen Durchschnittseinkommen, den ein Durchschnittsverdiener nach 45 Jahren Beitragszahlung als Rente erhält. Nach Expertenschätzung würde die Beibehaltung des jetzigen Verhältnisses eine zweistellige Milliardensumme pro Jahr kosten.
Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer argumentierte beim Gewerkschaftstag der Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG): „Für uns sind Betriebsrenten eine Ergänzung, ein Plus zur gesetzlichen Rente, und nicht der Ersatz für das Absenken des Rentenniveaus.“ Deshalb könne ein Absenken des Rentenniveaus keine Prämisse sein, sagte er laut Mitteilung am Sonntag in Berlin.
Die NRW-SPD, der auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück angehört, setzt auf Arbeitsmarktreformen, um das Durchschnittseinkommen zu erhöhen und so das davon abhängende Rentenniveau zu stabilisieren, wie Landes-Generalsekretär André Stinka am Sonntag der dpa erläuterte. „Dazu gehört auch ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn.“ Die NRW-SPD hatte am Samstag ihre Position für den Rentenkonvent der Bundespartei beschlossen. Demnach soll das Rentengesetz bis 2020 unangetastet bleiben. Damit könnte das Rentenniveau aber auch unter den derzeitigen Stand sinken.
SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück will „Dampf aus der Debatte herausnehmen“, wie er am Sonntag im ARD-„Bericht aus Berlin“ sagte. Man dürfe nichts versprechen, was nach der Wahl nicht umzusetzen sei, bekräftigte er. Den Streit um die gesetzlich mögliche Senkung des Rentenniveaus nannte der frühere Finanzminister ein großes Missverständnis: „Kein Mensch in der SPD hat das je debattiert als Zielmarke, sondern es ist ein Interventionspunkt. Wenn der droht, dann soll gerade interveniert werden, damit es nicht zu diesen 43 Prozent kommt.“
2002 hatte die rot-grüne Bundesregierung aus demografischen Gründen ein Gesetz beschlossen, wonach das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent sinken kann, ohne dass gegengesteuert werden muss. An dem Gesetz halten die NRW-Genossen ausdrücklich fest. Sie legten sich im Beschluss vom Samstag zwar auf keinen Prozentsatz fest. Maßnahmen wie Mindestlöhne oder die Sozialversicherungspflicht bei der Entgeltumwandlung für die Betriebsrente könnten das Rentenniveau aber stabilisieren, wie Geschäftsführer Stinka erklärte.
2020 müsse neu bewertet werden, wie ein Ausgleich aussehen könne zwischen einem maximal tolerierbaren Beitragssatz und einem Rentenniveau, das den Lebensstandard sichere, heißt es in dem Beschluss des Parteikonvents in Düsseldorf.
Auch Stegner hatte für eine Überprüfungsklausel geworben. Damit könne abgewartet werden, ob der von der SPD geplante Kampf gegen Erwerbsarmut und die Solidarrente tatsächlich das Rentenniveau steigern werde, hatte der schleswig-holsteinische SPD-Chef jüngst dem Berliner „Tagesspiegel“ gesagt. Die Untergrenze von 43 Prozent werde damit zwar an Bedingungen geknüpft, in der Höhe aber nicht infrage gestellt. „Ich will jetzt weder beim Rentenniveau noch beim Beitragssatz den Streit um eine abstrakte Zahl führen“, betonte Stegner in dem Interview.