Steinbrück verspricht als Kanzler neuen Aufbruch
Berlin (dpa) - SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will einen Aufbruch für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit und bei einem Wahlsieg umgehend einen Mindestlohn von 8,50 Euro einführen. „Am 22. September ist Wahltag und ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden“, sagte Steinbrück am Samstag in seiner Rede auf dem Deutschlandfest der SPD am Brandenburger Tor in Berlin.
Nach SPD-Angaben fanden sich rund 300 000 Menschen auf der Festmeile ein, zwischenzeitlich mussten Eingänge geschlossen werden, hieß es.
„Ich will mit Euch wieder einen Aufbruch für dieses Land erleben“, sagte Steinbrück unter dem Jubel vieler SPD-Anhänger und erinnerte an die Aufbruchzeiten unter Willy Brandt. Es gelte zudem, dem Kapitalismus Grenzen zu setzen. Die SPD will Banken und Märkte stärker regulieren. Offizieller Anlass des Festes mit dem Auftritt Dutzender Bands war das 150-jährige Bestehen der Sozialdemokratie. Der offizielle Festakt war im Mai in Leipzig gefeiert worden.
Heute gehe es nicht mehr um die Einführung des Acht-Stunden-Tages, den Sozialdemokraten durchgesetzt hätten, sagte Steinbrück in einer staatstragenden Rede, die seine Ziele in den Mittelpunkt stellte und nicht Angriffe auf Union und FDP. Aber heute verdienten fast sieben Millionen in Deutschland unter 8,50 Euro die Stunde. „Mit der SPD gibt es kein Vertun: Wir werden einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen.“
Das werde eine seiner ersten Maßnahmen sein. „Wir brauchen ein Bündnis der Starken mit den Schwachen. Und für dieses Bündnis trete ich ein.“ Er wolle ein Deutschland, „das stark ist, weil es gerecht zugeht“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er vor, das Land nur zu verwalten und nicht zu gestalten. Es sei etwas aus dem Lot geraten. „Ich werde als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland mit aller Härte gegen Steuerbetrüger vorgehen.“ Er wolle ein Land, wo es nicht entscheidend sei, wo man herkomme, sondern wo man hinwolle. „Das Wir entscheidet und nicht millionfache Ellbögen.“
Die Bildungsinvestitionen sollten schrittweise auf 20 Milliarden Euro steigen - auch dank eines Spitzensteuersatzes von 49 Prozent für Spitzenverdiener. Zudem versprach er, die Rüstungsexporte bei einem rot-grünen Wahlerfolg zurückzuschrauben. Deutschland verkaufe unter Merkel so viele Waffen in Krisengebiete wie nie zuvor.
Mit Blick auf die weiterhin fragile Lage in mehreren Euro-Länder stellte er die Bürger auf unangenehme Wahrheiten ein. „Das wird Deutschland Geld kosten, dieses Europa zusammenzuhalten“, sagte der 66-Jährige. „Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Geld nicht versenken.“ Es brauche einen funktionierenden Rettungsplan.
Die SPD wirft Merkel vor, auf eine niedrige Wahlbeteiligung zu setzen - daher sollte das Fest am Brandenburger Tor den Startschuss für die entscheidende Phase des Wahlkampfes bilden. „Frau Merkel hofft, dass die Menschen nicht zur Wahl gehen, weil, wenn die Wahlbeteiligung unter 70 Prozent liegt, dann gewinnt sie“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. Liege die Wahlbeteiligung bei über 75 Prozent, dann gewinne die SPD. Bis zu drei Viertel der Bürger seien laut Umfragen noch unentschlossen.
Steinbrück zeigte sich beeindruckt von den Massen auf der Straße des 17. Juni. „Ich habe so etwas noch nicht gesehen“, sagte er, als er die Bühne hochstieg. Im Hintergrund waren während der gesamten Rede fast wie im amerikanischen Wahlkampf Parteispitze, Kinder und Jugendliche sowie die Mitglieder seines Kompetenzteams postiert. Der Ex-Finanzminister hat klargestellt, dass er nur für Rot-Grün zur Verfügung stehe und nicht noch einmal in einer großen Koalition Minister unter Merkel wird. Ein Höhepunkt des Wahlkampfes dürfte das TV-Duell mit Merkel am 1. September werden.
Bei dem Deutschlandfest treten bis Sonntagmittag insgesamt 700 Künstler auf vier Bühnen auf - unter anderem die Prinzen, der Rapper Samy Deluxe, Nena und Schlagerstar Roland Kaiser. Am Sonntag will Steinbrück noch mit seiner Frau Gertrud im Kinderzelt aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ vorlesen. Zudem plant die Parteispitze ein Frühstück mit Bürgern.