Bundespräsidentenwahl Steinmeier und Gauck - Bier ersetzt Weißwein
Berlin. Der Alte geht, der Neue kommt: Frank-Walter Steinmeier (61) wird aller Voraussicht nach am kommenden Sonntag zum zwölften Bundespräsidenten gewählt werden. Er zieht dann für Joachim Gauck (77) ins Schloss Bellevue ein.
Was hat der eine, was der andere nicht hat? Und wo ähneln sich beide persönlich und politisch? Ein Vergleich.
Beliebt zu sein, ist beiden qua Amt gegeben. Steinmeier hat davon profitiert, dass Außenminister in Deutschland traditionell hohes Ansehen genießen. Gauck sind die Herzen zugeflogen, weil er im Vergleich zu seinem Vorgänger Christian Wulff als der bessere Kandidat galt. Kein Politiker, sondern ein Feingeist. Eine Mehrheit der Deutschen findet beide nach wie vor gut. Wobei zur Wahrheit gehört, dass Gaucks Fangemeinde im Osten des Landes deutlich geringer ist als im Westen.
Steinmeier ist mit Elke Büdenbender verheiratet, eine Studienliebe. Beide haben eine jugendliche Tochter. Er selbst hat mal erzählt, dass er alles versuche, um wenigstens einmal in der Woche bei seiner Familie zu sein. Dann gehe er oft mit seiner Tochter ins Kino. Steinmeier legt Wert darauf, dass in der Familie ein offenes Wort geführt wird. In seinem Haus in Berlin-Zehlendorf will er auch als Präsident wohnen bleiben. Joachim Gauck ist zwar verheiratet, First Lady ist aber seine Lebensgefährtin Daniela Schadt geworden.
"Die Verhältnisse sind geordnet, nur eben anders", hat er mal gesagt. Gauck hat vier erwachsene Kinder.
Daniela Schadt, frühere Journalistin, hat ihren Job in Nürnberg aufgegeben und die Herausforderung als First Lady mit Bravour gemeistert. Mit Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender muss sich die Republik auf neue Zeiten einrichten - die selbstbewusste Verwaltungsrichterin will weiter arbeiten. 2010 ließ sich Steinmeier eine Niere entfernen, um sie seiner Frau zu spenden. Sie ist diejenige, die auch auf seine Gesundheit achtet.
Bei seiner letzten Rede als Außenminister Ende Januar im Bundestag zeigte sich Steinmeier leidenschaftlich und tiefgründig. Sein Plädoyer für die Demokratie klang wie eine verspätete Bewerbungsrede für das Präsidentenamt. Als einst oberster Diplomat weiß Steinmeier um die Bedeutung von Worten. Er ist eigentlich keiner, der seine Zuhörer rhetorisch mitreißt. Es sei denn, er wird zornig. Aber intellektuell ist er durchaus ein Schwergewicht. Joachim Gauck ist auch kein Volkstribun, aber im Amt kommt es auf die Botschaft an, und die hatte er. Gaucks Ansprachen klangen oft etwas pastoral, seine Stärke liegt eher in der freien Rede bei Diskussionen.
Gaucks Präsidentschaft hatte einen roten Faden - die Freiheit. Sie ist für ihn das Allerwichtigste im Zusammenleben. Durch das Auseinanderdriften der Gesellschaft kam noch ein Thema hinzu: Die Menschen sollten weniger Furcht vor Veränderung haben. Der Zusammenhalt dürfte auch Steinmeiers Präsidentschaft prägen. Kritiker werfen ihm allerdings vor, dass er bis heute ein Verfechter der Sozialreform Agenda 2010 ist. Und während Gauck sich in der DDR-Bürgerbewegung politisierte, waren dies bei Steinmeier die Nachwehen der westdeutschen Studentenunruhen von 1968 und Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen".
Steinmeier hat sich im Griff, er ist meist kontrolliert und freundlich, aber selten überschwänglich. Ein guter Witz lässt ihn aber laut losbrüllen. Er hat auch Distanz zu sich selbst. Etwas, was Gauck mitunter fehlte. Der frühere Pfarrer wurde häufig von seinen eigenen Worten übermannt. Betroffen zu sein, war so etwas wie Gaucks Markenzeichen als Präsident. Allerdings ist er genau deshalb in Krisensituationen ein guter und glaubhafter Seelsorger gewesen. Ob Steinmeier das kann, muss er noch beweisen.
Gauck hat es immer wieder an die Ostsee gezogen, ein Stück Heimat für den gebürtigen Rostocker. Als Präsident ist man halt viel im Ausland unterwegs.
Auf dem Darß besitzt Gauck ein Ferienhaus. Steinmeier ist Südtirol-Liebhaber. Traditionell verbringt er seinen Urlaub in Norditalien in der Nähe von Bozen. Er und seine Frau mögen die Berge. Beide wandern viel.
Steinmeier hat das Rauchen mal als "ein Laster", als seine "abträglichste Schwäche" bezeichnet. Ob das immer noch so ist, weiß man nicht. Früher war er auch leidenschaftlicher Fußballer beim TuS Brakelsiek im Lipperland, heute ist er mit gleicher Leidenschaft Schalke-Fan. Steinmeier ist Biertrinker und isst am liebsten die Hausmacherrouladen seiner Mutter. Joachim Gauck steht auf Bratkartoffeln mit Quarkaufstrich und Schwarzbrot, dazu ein Glas trockener Weißwein. Gauck war mal Handballspieler, für Fußball interessiert er sich mäßig. Als sein Lieblingsverein gilt Hansa Rostock. Bellevue wechselt also weiß-blau in blau-weiß.