Steuererklärungen: Die Rückkehr des Bierdeckels
Nadine Schön gehört zu einer Gruppe von CDU-Abgeordneten, die ein einfacheres Steuersystem fordert — wie einst Friedrich Merz.
Berlin. Erlebt die vom früheren Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (57) erfundene „Bierdeckel-Steuererklärung“ eine Renaissance? Sechs Unionsabgeordnete fordern in einem Brief an ihre Parteiführung, den Beschluss des Leipziger Parteitages 2003 wieder aufzugreifen — drei Steuerstufen mit zwölf, 24 und 36 Prozent, und eine Steuererklärung auf einem Stück Papier. Die CDU-Abgeordnete Nadine Schön (29) erklärt das Vorhaben.
Frau Schön, Sie wollen, dass die Union sich wieder auf die Bierdeckelreform besinnt. Warum?
Nadine Schön: Unser Steuerrecht wird immer komplizierter. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind durch dutzende Gesetze nahezu 500 Bestimmungen im Einkommenssteuergesetz geändert worden. Ein Dschungel an Vorschriften, den kaum noch einer durchblickt. Vor genau zehn Jahren hatte Friedrich Merz die Idee von der Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Das habe ich zusammen mit Kollegen aus der Bundestagsfraktion zum Anlass genommen, diese Idee wieder aufzugreifen. Denn der Gedanke dahinter ist charmant: ein einfaches Modell, das jeder versteht. Einfach, transparent und gerecht.
Aber ist das nicht Wunschdenken? Das deutsche Steuersystem ist doch mehr als kompliziert.
Schön: Genau deshalb wollen wir das Thema ja wieder ins Bewusstsein und auf die politische Agenda setzen. Wer selbst seine Steuererklärung macht, merkt in der Tat sehr schnell, dass das Gewirr von Ausnahmen und Sonderregelungen schwer zu verstehen ist. Mit anderen Worten: Das deutsche Steuerrecht ist nicht nur kompliziert, sondern auch ungerecht. Es profitiert derjenige, der sich externe Beratung leisten kann. Deshalb ist es höchste Zeit, das Thema wieder aufzugreifen. Das wird aber sicherlich nicht von heute auf morgen realisierbar sein.
Aber schon bei der Mehrwertsteuerreform hat die Koalition die Erwartungen nicht erfüllt.
Schön: Es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, die aber noch kein gemeinsames Ergebnis erarbeitet hat. Auch hier blickt niemand mehr durch. Die Differenzierung zwischen normalem und ermäßigtem Mehrwertsteuersatz ist weder zeitgemäß noch reformfähig und zudem höchst ungerecht. Bücher werden mit sieben Prozent besteuert, Hörbücher mit 19 Prozent. Tierfutter mit sieben, aber Kinderwindeln und Mineralwasser mit 19 Prozent. Das ist doch absurd.
Liegt der Bierdeckel auf Wiedervorlage?
Schön: Mit unserem Appell will ich mich mit meinen Kollegen dafür einsetzen, dass die für die Menschen immer aktuellen Themen Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit nicht in Vergessenheit geraten. Gerade die junge Generation in unserer Partei hat den Vorschlag sehr unterstützt. Deshalb gehört die Bierdeckel-Idee vom einfachen, transparenten und gerechten Steuersystem ins Wahlprogramm der CDU/CSU für die kommende Bundestagswahl.