Steuerhinterziehung: So viele Selbstanzeigen wie noch nie
Uli Hoeneß und 9185 weitere Steuersünder haben sich in diesem Jahr bereits bei den Finanzämtern selbst belastet.
Berlin. Über eine Sache kann sich Uli Hoeneß immer noch mächtig aufregen. Dass von all den Steuersündern, die sich in diesem Jahr selbst angezeigt haben, nur ein einziger Name bekannt geworden ist. Sein eigener. Daran ändert sich auch mit der neuesten Statistik nichts. Aber der Präsident des FC Bayern München weiß jetzt, dass er in großer Gesellschaft ist.
Außer Hoeneß haben sich von Januar bis Juni in Deutschlands Finanzämtern noch 9185 weitere mutmaßliche Steuerbetrüger gemeldet — so viele wie nie zuvor. Das ist schon recht nah an der Zahl von ganz 2012 (11 824). Wer nach einer Selbstanzeige die gesamte Steuerschuld plus Zinsen nachzahlt, geht unter Umständen straffrei aus.
Zwischen den 16 Ländern tun sich dabei ziemliche Unterschiede auf. An der Spitze liegt Baden-Württemberg, wo 2360 mutmaßliche Betrüger den Versuch unternahmen, sich ehrlich zu machen. Es folgen Nordrhein-Westfalen (1528) und Bayern (1179). Im Osten sieht es anders aus. In Sachsen-Anhalt etwa gab es nur drei Anzeigen, in Mecklenburg-Vorpommern sieben. Ein möglicher Grund: Das Vermögen in Deutschland ist immer noch sehr ungleichmäßig verteilt.
Einig sind sich die Experten, dass der Fall Hoeneß beim bundesweiten Rekord eine Rolle spielt. Seit die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten im April bekannt wurde, ging die Zahl nochmals in die Höhe. „Aber der eigentliche Grund ist, dass Ende vergangenen Jahres das Steuerabkommen mit der Schweiz nicht zustande gekommen ist“, sagt der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst Vinken.
Bis dahin hatten viele Deutsche mit Schwarzgeld in der Eidgenossenschaft gehofft, ihre Steuerschulden diskret bereinigen zu können — anonym und zu einem Pauschalsatz zwischen 21 und 41 Prozent. Nach dem Scheitern des Abkommens wuchs hierzulande die Nervosität. Als weiterer Grund wird der Ankauf sogenannter Steuer-CDs genannt.
Die plötzliche Ehrlichkeit sorgt jetzt dafür, dass von den mehr als 90 000 Steuerberatern in Deutschland einige besonders gut zu tun haben. Weil man bei Selbstanzeigen viel vermasseln kann, ist das eine Angelegenheit für Spezialisten. Eine Anzeige ist heute viel komplizierter als noch vor einigen Jahren. Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 sind keine scheibchenweisen Anzeigen mehr möglich. Alles muss sofort auf den Tisch.
„Was man auf keinen Fall tun sollte, ist einen Eigenversuch zu starten“, warnt Steueranwalt Roland Hoven von der Kanzlei RölfsPartner. „Sich Unterlagen in der Schweiz abzuholen und selber eine Steuererklärung abgeben, das wird mit Sicherheit schiefgehen. Man hat nur einen Schuss. Und der muss sitzen.“
Hoven hat derzeit 35 Fälle auf dem Schreibtisch. Nicht immer geht es um Riesenvermögen. „Der klassische Fall ist einer ab 100 000 Euro aufwärts“, erzählt er. „Aber es gibt natürlich auch Fälle, die in den zweistelligen Millionenbereich gehen.“
Experten erwarten, dass es in den kommenden Monaten viele weitere Selbstanzeigen geben wird. In den Finanzämtern hat man die Erfahrung gemacht, dass sich mit jedem neuen Dreh des Falls Hoeneß wieder neue Sünder offenbaren. Zudem sind viele verunsichert, weil die Selbstanzeige von der Politik infrage gestellt wird.