Studie: Bürgerversicherung ist gerecht und verfassungsgemäß
Berlin (dpa) - Eine Bürgerversicherung, in die alle Beschäftigten und Einkommensbezieher einzahlen, ist nach einer neuen Studie verfassungskonform und umsetzbar.
Das Gutachten belege, dass eine Zusammenführung von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung das Finanzierungsproblem nachhaltig lösen könne, im Einklang mit dem Grundgesetz stehe und eine gerechte Verteilung der Lasten bringe, sagte Brigitte Döcker, Bundesvorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO), am Donnerstag in Berlin.
Die AWO hatte die Studie in Auftrag gegeben. Eine - in den Details unterschiedlich gestaltete - Bürgerversicherung streben SPD, Grüne und Linke an. Der SPD-Experte Karl Lauterbach sah sich durch die Studie in seiner Auffassung bestätigt, „dass die Bürgerversicherung notwendig und umsetzbar ist“.
Durch Einbeziehung aller Bürger - also auch Beamte und Selbstständige - und Einkunftsarten entstehe auch Spielraum für Leistungsverbesserungen, etwa in der Pflegeversicherung, sagte Studien-Autor Stefan Greß (Hochschule Fulda).
Auch wenn eine Bürgerversicherung die meisten Gruppen entlasten soll, etwa Geringverdiener oder privat versicherte Kleinselbstständige - Andere werden dafür wohl stärker zur Kasse gebeten. Wer wie be- oder entlastet wird, diese Antwort blieben AWO und Verfasser der Studie aber schuldig. Mit Blick auf den demografische Wandel und höhere Ausgaben räumte Döcker grundsätzlich höhere Belastungen ein: „Selbstverständlich muss man mehr bezahlen.“
Die Einkommensgrenze für höhere Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung im Modell der AWO dürfte zwischen 4000 und 4500 Euro monatlich verlaufen. Grund: Die Grenze, bis zu der Kassenbeiträge bezahlt werden müssen, soll auf jene der Rentenversicherung angehoben werden.
Mitautor Prof. Karl-Jürgen Bieback (Uni Hamburg) hält die Integration der Privatversicherten in die Bürgerversicherung für verfassungsrechtlich zulässig. Dies stärke die „horizontale und vertikale Gerechtigkeit“. Auch das Bundesverfassungsgericht habe einen solchen Schritt als „zumutbar und angemessen“ bewertet.
Nach seiner Einschätzung könnte durch die Beitragspflicht aller der Beitragssatz für Gesundheit und Pflege zusammen um ein bis zwei Prozentpunkte sinken. Derzeit werden für gesetzlich Versicherte unterm Strich gut 17,5 Prozent vom Bruttolohn dafür fällig: Die Beschäftigten tragen 9,2 Prozent, die Arbeitgeber 8,3 Prozent.