Streit um Bundespräsidentenwahl in Karlsruhe
Karlsruhe (dpa) - Ging bei den Wahlen von Horst Köhler und Christian Wulff zum Bundespräsidenten alles mit rechten Dingen zu? Die Richter des Bundesverfassungsgericht äußern Bedenken wegen einiger Details - doch das Wahlverfahren stellen sie nicht in Frage.
Die Richter zeigten Zweifel am absoluten Verbot von Redebeiträgen in der Bundesversammlung. Die Bedenken gegen die Zusammensetzung der Versammlung zur Präsidentenwahl fanden hingegen in der mündlichen Verhandlung keine erkennbare Zustimmung auf der Richterbank.
Der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs, der 2009 und 2010 Mitglied der Bundesversammlung war, hatte gegen die damaligen Präsidentenwahlen geklagt. Unter anderem sieht er seine Rechte verletzt, weil es zu seinen Anträgen keine Aussprache gab. Er hatte gefordert, dass sich die Kandidaten für das Präsidentenamt der Versammlung vorstellen dürfen. Die NPD hatte damals den rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke ins Rennen geschickt. „Es kann nicht sein, dass die Delegierten nur rechtlose Statisten sind“, sagte Klägeranwalt Peter Richter.
Der Bundestagsvertreter Wolfgang Zeh argumentierte hingegen, die Bundesversammlung sei ein reines Wahlorgan, in dem keine Debatten stattfinden sollten. „Es gibt dort keinen parlamentarischen Willensbildungsprozess. Der geschieht vorher.“
Nach Artikel 54 des Grundgesetzes wird der Bundespräsident „ohne Aussprache“ von der Bundesversammlung gewählt. Die Bundesversammlung tritt ausschließlich zur Wahl des Präsidenten zusammen; sie besteht aus den Abgeordneten des Bundestags und der gleichen Zahl an Delegierten aus den Ländern.
Die Richter des Zweiten Senats äußerten allerdings Bedenken gegen ein absolutes Verbot von Aussprachen. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle fragte, was bei Konflikten über Verfahrensfragen geschehen solle. „Wie gehen wir damit um, dass es nur sehr beschränkte Möglichkeit des Miteinander-Sprechens gibt?“ Der Bundestagsvertreter Zeh erklärte, in solchen Fällen müsse die Sitzung gegebenenfalls unterbrochen werden.
Pastörs hatte auch das Verfahren der sogenannten Einheitslisten beanstandet, mit denen in einigen Landtagen die Delegierten gewählt werden. Die Abgeordneten können die Einheitsliste im Grunde nur bestätigen oder ablehnen - Alternativvorschläge haben in der Praxis keine Chance. Renommierte Staatsrechtsprofessoren halten dieses Verfahren für bedenklich - was sich die NPD-Kläger gern zu eigen machten. In der Verhandlung am Dienstag bezweifelten die Richter allerdings, dass eine Klage in Karlsruhe überhaupt das richtige Mittel ist, um das Verfahren in den Landesparlamenten zu beanstanden.
2009 und 2010 wurden die Präsidenten Horst Köhler und Christian Wulff gewählt. Sollten die Anträge Erfolg haben, dürfte dies aber vor allem Auswirkungen auf das Verfahren bei künftigen Wahlen haben.