Belastungsprobe für die GroKo Streit um Familiennachzug: CSU verschärft den Ton
Berlin (dpa) - Im koalitionsinternen Streit über den Familiennachzug von Flüchtlingen verschärft die CSU die Tonlage gegenüber der SPD. Für Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) stellt sich hier gut drei Wochen nach Regierungsantritt bereits die Koalitionsfrage.
„Was Innenminister Horst Seehofer plant, entspricht genau dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde“, sagte Nüßlein der „Augsburger Allgemeinen“. Es gehe um einen „Kernbestandteil des Koalitionspapiers“. „Wenn die SPD da nicht mitmachen würde, wäre die große Koalition am Ende“, warnte der CSU-Politiker. „Aber das kann ich mir nicht vorstellen.“
Seehofers Gesetzesentwurf soll den Familiennachzug für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus ab August regeln. Diese Gruppe kann derzeit praktisch keine Angehörigen nachholen. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD maximal 1000 Familienangehörigen pro Monat den Nachzug erlauben. Über die Ausgestaltung der Vereinbarung gibt es aber Streit. Die SPD kritisiert enge Kriterien für die Auswahl der bis zu 1000 Angehörigen. Seehofer will an diesem Freitag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg besuchen, das seinem Ministerium angegliedert ist. Dort könnte er sich erstmals selbst zu der Diskussion äußern.
Außenminister Heiko Maas warnte am Donnerstag die Union davor, beim Familiennachzug vom vereinbarten Kompromiss abzurücken. „Wir werden ganz sicherlich keinen Entwürfen zustimmen, von denen wir der Auffassung sind, dass sie in erster Linie gedacht sind, das Kontingent eher zu verringern“, sagte der SPD-Politiker.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies Kritik der Sozialdemokraten an Seehofers Gesetzentwurf zurück. „Gerade diejenigen, die ständig nach Familiennachzug schreien, sind oft unfähig, notwendige Maßnahmen zur Integration ausreichend zu erbringen oder für Sicherheit zu sorgen“, sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die Integrationsfähigkeit unseres Landes hat doch inzwischen für jedermann ersichtlich eine Grenze.“
Von kommunaler Seite bekam Seehofer ebenfalls Unterstützung. „Es ist der richtige Ansatz, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit vorläufigem Schutzstatus auf höchstens 1000 pro Monat zu begrenzen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“. Der vorläufige Schutzstatus bedeute gerade, „dass die Menschen nur vorübergehend bei uns bleiben und bald zurückkehren sollen“. Landsberg mahnte, die Kommunen dürften nicht überfordert werden, viele von ihnen seien längst an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen.
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring stellte sich ebenfalls hinter die Linie Seehofers. „Subsidiär Schutzbedürftige, die eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland darstellen, Terror unterstützen oder mit solchen Taten sympathisieren, muss der Familiennachzug verwehrt bleiben“, sagte Mohring der „Thüringer Allgemeinen“. Dazu gehöre, wer sich in verbotenen Vereinigungen engagiere oder politisch oder religiös motivierte Gewalt ausübe oder dazu aufrufe.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hält die von Horst Seehofer losgetretene Islam-Debatte für kontraproduktiv auch im bayerischen Landtagswahlkampf. Er glaube nicht, dass man mit einer solchen Debatte in Wahlkämpfen mobilisieren könne, sagte Laschet, der auch stellvertretender CDU-Chef ist, der Zeitung „Neue Westfälische“. Die Stimmung anzuheizen, Menschen nach ihrer Religion zu beurteilen, sei falsch und nutze am Ende nur den Falschen. „Die Frage ist doch: Gewinnst du Wahlen, indem du Aufreger-Themen benennst, ohne aber etwas zu ändern? Erfolgreiche Politik löst Probleme und dient dem Zusammenhalt einer Gesellschaft.“
Aus Sicht von Grünen-Chef Robert Habeck schaden Seehofers teils provokative Äußerungen seinem eigenen Image. „Er steht jetzt bei jedem politischen Vorstoß als Innenminister unter Verdacht, Wahlkampf für die CSU zu machen“, sagte Habeck dem Portal HuffPost. „Selbst gute Vorschläge werden darunter leiden, dass sie von Horst Seehofer kommen, weil er als unsolidarischer Haudrauf gilt.“