Streit um Milliardenüberschuss der Krankenkassen
Berlin (dpa) - Trotz einer Rekordreserve von rund 11,5 Milliarden Euro erwarten hochrangige Experten eine neue Welle von Zusatzbeiträgen bei den gesetzlichen Krankenkassen.
„In der zweiten Hälfte des Jahres 2013 oder 2014 wird ein Großteil der Krankenkassen wieder Zusatzbeiträge erheben“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen, Eberhard Wille, am Mittwoch in Berlin.
Nach dem Willen von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hingegen sollen besonders gut dastehende Kassen das Geld den Versicherten teils zurückgeben. Willes Prognose wies er zurück. Derzeit schütten zehn überwiegend kleinere Kassen mit rund 700 000 Versicherten ihren Mitgliedern Prämien aus. Weit mehr Kassen seien dazu in der Lage, sagte Bahr. „Mehrere Millionen Versicherte könnten davon profitieren.“ Zunächst wolle er die internen Beratungen der Kassen weiter abwarten, doch könne der Gesetzgeber die Versicherungen auch zur Ausschüttung zwingen.
Das Finanzpolster der Kassen zum Ende des ersten Quartals geht auf geringe Ausgabensteigerungen und gute Einnahmen zurück. Dazu kommt eine Reserve von rund 8,5 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds, der Geldsammelstelle der Kassen, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.
Die Chefin des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, wandte sich gegen Prämienausschüttungen: „Wir wollen, dass diese Reserven gesichert und für die künftige Versorgung von Patientinnen und Patienten genutzt werden.“ Positiv sei es, dass dank der Reserven neue Zusatzbeiträge absehbar wohl kein Thema seien.
Unterschiedliche Ansichten über die Verwendung des Geldes gibt es auch in der Unionsfraktion. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher Jens Spahn (CDU) sagte: „Solide Finanzen sind die beste Sozialpolitik. Aber wir erwarten auch, dass die reichen Kassen endlich ihre Versicherten in Form von Prämienausschüttungen beteiligen.“
Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) sagte der Nachrichtenagentur dpa hingegen: „Die Politik muss die Kraft aufbringen, die kurzfristigen Rücklagen als nachhaltige Vorsorge zurücklegen zu können.“ Jeder wisse, dass in der Krankenversicherung auch wieder schwierige Zeiten kommen. „Es ist ein Gebot der Klugheit und Generationengerechtigkeit, die Überschüsse nicht zu verteilen.“
Ende vergangenen Jahres betrugen die Reserven bei den Kassen noch rund 10 Milliarden Euro und beim Fonds rund 9,5 Milliarden Euro. Nun sind es unterm Strich somit 500 Millionen Euro mehr. Im 1. Quartal fuhren die Kassen einen Überschuss von 1,5 Milliarden Euro ein, bei Ausgaben von rund 46 Milliarden.
Die Ausgaben der Kassen stiegen je Versicherten um 3,5 Prozent. Offizielle Schätzer nahmen im Oktober noch einen Ausgabenanstieg von 4,5 Prozent für 2012 an. Die Arzneiausgaben sind nach einem deutlichen Rückgang wieder um 3,7 Prozent gewachsen.
Das Ministerium erwartet zwar geringere Überschüsse bis zum Jahresende, doch könne auch im Gesamtjahr mit einer positiven Finanzentwicklung gerechnet werden.
Die Ortskrankenkassen (AOK) erzielten einen Überschuss von rund 553 Millionen Euro, die Ersatzkassen von rund 568 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen von 165 Millionen Euro.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete von Januar bis März ein Defizit von gut 1 Milliarde Euro. Dies liegt laut Ministerium aber nur an saisonbedingten Einnahme-Schwankungen. Die Situation des Fonds werde sich anders als bei den Kassen im Jahresverlauf deutlich verbessern.