Streit um Plätze im NSU-Prozess: Gericht bleibt hart
München (dpa) - Das Oberlandesgericht (OLG) München wird das Zulassungsverfahren für Journalisten im NSU-Mordprozess trotz massiver Kritik im In- und Ausland nicht ändern. Es bleibe bei der Akkreditierungsliste, sagte OLG-Präsident Karl Huber am Donnerstag.
Danach erhält kein einziges türkisches Medium einen garantierten Platz im Gerichtssaal, obwohl die Opfer von acht der zehn Morde, die der rechtsextremen Terrorzelle NSU zugeschrieben werden, türkische Wurzeln hatten. Huber lehnte auch eine Videoübertragung des Prozesse für Journalisten in einem anderen Saal ab. Dies hatten Juristen und Politiker zuvor gefordert. Zudem wurde der Ruf nach einer Neuauflage des Akkreditierungsverfahrens laut.
Huber verwies darauf, dass türkische Journalisten sehr wohl aus dem Prozess berichten könnten. Dazu müssten allerdings akkreditierte Kollegen auf ihren Platz verzichten und die anderen Journalisten ihnen bei der Vergabe der unbesetzten Plätze den Vortritt lassen. „Damit besteht die Möglichkeit, dass auch türkische Journalisten bei einer Solidarität der deutschen Kollegen an dem Verfahren teilnehmen können“, betonte der Gerichtspräsident. Diese Regelung ist aber nicht neu; das Gericht hatte darauf bereits hingewiesen.
Das OLG hatte die festen Sitzplätze nach Eingang der Anmeldungen vergeben - bereits nach knapp drei Stunden lagen 50 Anfragen vor. Der Prozess soll am 17. April beginnen.
Der türkische Vizepremier Bekir Bozdag monierte in der Nachrichtenagentur Anadolu eine „offene Benachteiligung der türkischen Medien“. Das Gericht habe einseitig und subjektiv gehandelt. „Diese Haltung finde ich nicht richtig und es ist nicht passend für einen Rechtsstaat. Solch ein Verhalten könnte bereits vor dem Prozessbeginn zu Skepsis am Verfahren führen.“
Kritik kam auch aus Brüssel. Justizkommissarin Viviane Reding sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag), die Vergabe der Medienplätze sei „suboptimal gelaufen“. Es sei doch „das Normalste von der Welt, dass ausländische Medien, erst recht aus Ländern mit Betroffenen, dem Prozess beiwohnen wollen“. Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, nannte die Entscheidung des Gerichts laut „SZ“ „schwer verständlich“.
Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), verteidigte das Gericht dagegen. „Die Entscheidungen des Gerichts bewegen sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen und Möglichen“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch der Unions-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Clemens Binninger (CDU), betonte: „Das OLG München muss sich an die gesetzlichen Vorgaben bei der Platzvergabe für Journalisten halten.“ Ein wegen Verfahrensfehlern ungültiges Urteil wolle niemand. Dennoch solle das Gericht eine Übertragung des Prozesses in einen Nebensaal prüfen.
„Vernünftig wäre die Übertragung der Verhandlung in einen anderen Raum, unter strengen Sicherheitsvorkehrungen“, sagte auch der frühere Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer der dpa. Das sei keine öffentliche Vorführung, die gesetzlich nicht zulässig wäre, sondern eine Erweiterung des Gerichtssaales. Auch der Verfassungsrechtler Wolfgang Hoffmann-Riem und andere Juristen sehen das ähnlich.
Vor allem von türkischen Medien ist die Kritik heftig. Ahmet Külahci, der Chefkorrespondent der türkischen Zeitung „Hürriyet“, meinte, er könne sich vorstellen, dass das Akkreditierungsverfahren juristisch und bürokratisch nicht zu beanstanden sei. „Moralisch und ethisch ist es aber nicht zu vertreten, dass keine Medienvertreter aus der Türkei dabei sein können“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“.
Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) befürwortete ein neues Vergabeverfahren. „Ich habe das Gefühl, am sinnvollsten ist es, man fängt noch einmal neu an“, sagte er dem Radiosender hr-info.
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der NSU-Morde, Barbara John, weckte mit Aussagen in der „Passauer Neuen Presse“ Hoffnung auf eine Lösung: „Das Oberlandesgericht hat mir zugesagt, die türkischen Medien einzubinden - was auch immer das heißt. Ich hoffe, dass das Problem gelöst werden kann.“
Kein Problem stellt nach Angaben von OLG-Präsident Huber der mögliche Wechsel einer am NSU-Verfahren beteiligten Richterin zum Bundesgerichtshof dar. Er wies darauf hin, dass drei Ergänzungsrichter benannt worden seien.